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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
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unversehrt. Doc sprach ihr Trost zu. »Wird schon werden, Marthy. Bleib einfach ruhig liegen und versuch, dich nicht zu bewegen.«
    Als die vierte Explosion kam, zuckte Doc nicht zusammen, denn er wußte gleich, was es war: Donner. Oben im Himmel. Draußen. Die größeren Götter, dachte Doc, der an größere Götter glaubte, feuern ihre Revolver ab. Seine Sterngucker waren zu blind, um den fernen Blitz auszumachen, der den fünften Knall ankündigte, aber seine Hauptaugen nahmen ihn wahr und bestätigten, daß es sich in der Tat um einen Blitz handelte, und als das Krachen folgte, schätzte er, daß die Gewitterwolken näher kamen. Wir könnten allerdings einen ordentlichen Schauer gebrauchen, dachte er. Wie alle Knackerlaken liebte er Regen, haßte aber Gewitter, nicht wegen des Lärms, sondern wegen des Lichts.
    Zwischen den Donnerschlägen hörte er noch ein anderes Geräusch: ein Stöhnen, das nicht vom Mann kam, sondern von einer Knackerlake. Noch einer, der den Zorn des Mannes oder die Provokation des Predigers, oder beides überlebt hatte, irgendwo außer Sichtweite verborgen. Doc richtete seine Schnüffelruten aus und versuchte, das Opfer mit seinem Geruchssinn zu lokalisieren. Er landete in der Nähe vom Polstersessel des Mannes; die Gerüche und Geräusche kamen von irgendwo hoch oben zwischen den Polstern des Sitzes. »Wer ist da?« rief Doc, rief noch einmal, aber bekam keine Antwort. Entweder war das Opfer so schwer verletzt, daß es nicht antworten konnte … oder aber es war taub. Wahrscheinlich aber letzteres, dachte Doc. Er brauchte Schub von unten, um an der Seite des Polstersitzes hochzukommen, und blickte sich nach jemandem um, der ihn hinaufschieben könnte. Sechs von Martha Stapletons Söhnen, Dick, Vic, Rick, Mick, Nick und Jick, waren um sie versammelt, und ein paar ambulante Überlebende wanderten benommen umher, aber die meisten Knackerlaken hatten sich in den Frack, den Sack oder nach Carlott zurückgezogen.
    Doc blieb nichts anderes übrig, als den Sitz, so gut es ging, ohne Hilfe zu erklimmen. Er langte mit seinem einen intakten Krabbler links hinauf, krallte sich in den Stoff des Sitzes und zog sich hoch, dann suchte er mit den beiden rechten seiner drei Steigeisen nach Halt und zog sich langsam, Krabbler vor Krabbler setzend, an der Seite des Sitzes hoch, bis er den Rand des Sitzpolsters erreicht hatte. Außer Atem und mit pochendem Herzen strich er an den Rändern des Sitzpolsters umher, bis er in dem Spalt an der Rückenlehne mit dem Bauch nach oben jene Knackerlake fand, mit der er gerechnet hatte. Der Junge war noch im Osten, atmete und war soweit unversehrt, Krabbler und Schnüffelruten vollzählig, aber der Schlag hatte ihn betäubt und bewußtlos gemacht. Er schien keinen ernsten Schock zu haben und wies keine sichtbaren Funktionsstörungen auf, aber aus dem Mund und dem Pedicellus der einen Schnüffelrute war ein Rinnsal aus Eiter gelaufen. Doc fühlte seinen Puls, der schwach und unregelmäßig ging. »Es ist ein Wunder«, sagte er, »daß die Wucht dieses Schlages deine Schwanzborsten nicht wieder in Ordnung gebracht hat.« Aber der arme Teufel konnte ihn nicht hören. Er hob die Stimme. »DAS WAR EINE MUTIGE UND KLUGE TAT VON DIR!« schrie er dicht an einer der Schwanzborsten. »NIEMAND AUF ERDEN AUSSER DIR HÄTTE DAS FERTIGGEBRACHT!«
    Der Junge blickte klarer und richtete seinen Blick auf Doc, dann versuchte er zu lächeln und zu sprechen, aber Doc winkte ab. Ein Transport kam nicht in Frage: Er würde mehrere Stunden absolut still liegen müssen, eine kritische Angelegenheit. »VIELLEICHT WIRST DU IM OSTEN BLEIBEN«, sagte Doc, obwohl es eine fromme Lüge war, »ABER DU MUSST GANZ STILL LIEGEN UND DARFST DICH NICHT BEWEGEN.« Der Blick des Jungen wurde wieder verschwommen, und Doc hockte sich neben ihn, um Herzschlag undAtmung zu überwachen. Er wischte den Eiter fort und stellte erfreut fest, daß das Rinnsal versiegt war. Er drückte die Schnüffelruten in die entspannte horizontale Lage neben den Körper und tätschelte sie sanft, um sie davon abzuhalten, wieder in die Höhe zu springen.
    Der Regen war jetzt nicht nur zu riechen, sondern auch zu hören. Es donnerte weiter und weiter, und die in regelmäßigen Abständen zuckenden Blitze erleuchteten das Innere des Mußeraumes, doch das alles bestimmende Geräusch war das Trommeln des Regens. Von seiner Warte aus konnte Doc den Mann sehen, aber nicht den Boden. Die Minuten verstrichen. Er konnte nicht feststellen, was

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