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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
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Ararat, viele Achtelmeilen von Stay More entfernt den Swan's Creek hinunter, zum Stillstand gekommen war.
    Würde sie wohl jemals den Weg zurück nach Hause finden? Wollte sie es überhaupt – um aller Welt dieses Osterei zu offenbaren, das sich immer weiter aus ihrem Abdomen herausdrängte? Vielleicht hatte das Schicksal-Ding den Regen geschickt, damit er sie und ihr Heim fortspülte, bis das Osterei vom Ende ihres Abdomens fiel und irgendwo versteckt oder liegengelassen werden konnte oder zumindest ihren Körper ungezeichnet und ungebeugt von seiner Last zurückließ.
    Jubal hatte es als erster bemerkt; während der Fahrt flußabwärts, als klar war, daß er nichts Besseres zu tun hatte, als seine Aufmerksamkeit von der tobenden Strömung abzuwenden, um die anderen Passagiere in ihrem Gefährt in Augenschein zu nehmen, hatte er nüchtern zu ihr gesagt: »Sieht so aus, als wär jemand hin und hätte dich angebufft.« Sie war zusammengezuckt und hatte nichts zu sagen vermocht, ihre Aufmerksamkeit von der Strömung, die den Klotz den jetzt reißenden Bach hinuntertrug, nicht abwenden können. Ihre Brüder und Schwestern hatten bemerkt: »Tish ist guter Hoffnung« oder »Tish ist schwanger« oder »Tish hat einen Braten im Rohr« oder »Tish hat einen Rübenkern verschluckt«, oder sie sagten, bei ihr wäre was unterwegs, bei ihr wäre Zuwachs im Anmarsch, sie hätte einen Storch getroffen oder sie wäre angepumpt oder angepoppt, aber hauptsächlich sagten sie, sie wäre »in Umständen«, und Tish glaubte verrückt zu werden, so oft mußte sie sich die Frage gefallen lassen: »Bist du in Umständen, Tish?« und »Wie kommst du in die Umstände, Tish?« und »In was für Umständen bist du, Tish?« oder einfach: »In Umständen, Tish?«
    Aber wären ihre Geschwister nicht so sehr an ihrem Osterei interessiert gewesen, sie hätten womöglich mehr Furcht empfunden, als die Arche ziellos schlingernd den Fluß hinunterraste. Im Verlauf der Reise waren sie fast allesamt seekrank geworden und hatten sich trotz allem, was ihre Mutter ihnen beigebracht hatte, nämlich nur im stillen Kämmerlein zu kotzen, öffentlich und schamlos voreinander erbrochen, und jetzt konnte es niemand mehr ertragen, sich den Resten des Leichenschmauses zu nähern. Keiner hatte mehr Appetit.
    Trotz ihres redlichen Bemühens, sich als Kapitän des Schiffes zu bewähren und alle sicher durchzubringen, hatte Tish mehrere Passagiere verloren. Es war nicht ihre Schuld. Sie hatte sie alle gewarnt, vom Dach des Klotzes fern und drinnen zu bleiben, und das hatten sie auch getan, aber der Klotz stieß immer wieder gegen Steine oder gegen das Ufer oder gegen Äste oder Wurzeln, und jedesmal, wenn das passiert war, zählte Tisch hinterher durch und stellte fest, daß ein oder mehrere Passagiere über Bord gegangen und in die Fluten gestürzt waren, um nie wieder aufzutauchen. Die Anzahl ihrer Brüder und Schwestern war jetzt von zweiundvierzig auf einunddreißig gesunken, und Tish fragte sich, ob Bruder Tichborne bei der nächsten Trauerfeier überhaupt all ihre Namen würde behalten können.
    Tish überlegte, daß die nächste Trauerfeier die ganze Nacht hindurch und womöglich noch in den Vormittag hinein würde dauern müssen. Nicht nur für Knackerlaken, sondern für alle möglichen Kreaturen: Der Fluß war voll mit den Leichen aller erdenklichen Insekten. Nicht nur Insekten mit aufgeweichten Schnüffelruten und vollgesogenen Flügeln, sondern auch pelzige und gefiederte Geschöpfe. Wenn die Brüder und Schwestern nicht gerade damit beschäftigt waren, Bemerkungen über Tishs Schwangerschaft zu machen, beobachteten und kommentierten sie die verwesterte Fauna, die vorübertrieb. Sie sahen ertrunkene Vögel, ertrunkene Nagetiere, ein ertrunkenes Schwein, ein ertrunkenes Opossum, sogar einen ertrunkenen Fisch. Es gab ertrunkene Frösche, ertrunkene Schlangen und ertrunkene Schildkröten, und dann, als die Arche auf Grund lief und auf der Sandbank hängenblieb, kam eine ertrunkene Maus daher.
    Es war nicht einfach irgendeine Maus, die neben ihrem Klotz angespült wurde. Es war die Große Weiße Maus selbst … oder vielleicht der Große Weiße Mäuserich, niemand wagte sich nahe genug hin, um nachzusehen, auch wenn sie eindeutig ertrunken war. Das Ufer der Sandbank war übersät mit anderen Leichnamen, ertrunkenen Wanzen, Käfern und Spinnen, ertrunkenen Nacktschnecken, Schnecken und Blutegeln, ertrunkenen Ameisen und Motten und Fliegen, aber das einzige

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