Tanz der Kakerlaken
wirklich verletzt. »Bist du verletzt?« fragte sie ihn.
»En Ast is mir uffn Kopp geknallt«, sagte er. »Hasses gesehn?«
»Nein«, sagte sie. »Kann ich irgendwas für dich tun?«
»Wies mit watzessen?« brummte der Mäuserich.
Tish verstand ihn nicht. Es war eine sehr sonderbare fremde Sprache, die er da sprach. Sie mußte ihn bitten, es zu wiederholen, dann wiederholte sie es selbst Jubal gegenüber: »Wies mit watzessen?«, und Jubal dachte zunächst, die Maus meinte eine Warze, wie Säugetiere sie haben. Aber das war es nicht.
Schließlich fragte Tish: »Fragst du vielleicht nach etwas zu essen?«
»Meine Rede«, brummte der Mäuserich. »Wat hassen? Komma Stückchen näha, Winzling.«
Hinter ihrem Rücken flüsterte Jubal: »Er will dich essen, Tish. Geh ja nicht näher ran!«
Tish kehrte in den Klotz zurück, aber nur um aus den Resten des Leichenschmauses einen Happen auszusuchen, den sie tapfer zwischen ihren Fühlern bis in Schnappweite des Mäuserichs trug. Der hätte sie auf einen Rutsch verschlucken können, tat es aber nicht. Statt dessen nahm er die milde Gabe zwischen die Zähne. »Käse kenn ick«, sagte er. »Velveta?« Er schlang hinunter. »Also, echt lecker, Schätzchen. Wennch so saachen daaf.«
Sie holte ihm einen weiteren Bissen, ein Bröckchen Napfkuchen. Und dann noch einen. Sie brachte ihm sogar einen Leckerbissen, den sie für sich selbst aufgehoben hatte: das letzte bißchen Erdnußkrockwand.
»Datta kenn ich nich«, sagte er anerkennend brummend. »Abba et is der Gipfel. Wennch so saachen daaf.«
Sie brachte dem Mäuserich alles, bis zum letzten Krümchen, was von dem Leichenschmaus noch übrig war, und dann verkündete sie: »Das ist alles. Mehr hab ich nicht.«
»Dankooch, Engelchen. Wo has alldat Zeuch her?«
Tish versuchte, dem Mäuserich den alten Brauch des Leichenschmauses zu erklären und daß ihnen der Leichenschmaus zwar zur Verwesterung ihrer Eltern geschenkt worden sei, daß diese aber gar nicht im Westen, sondern nur verschollen gewesen seien und daß sie und ihre zweiundvierzig – nein, jetzt waren es nur noch einunddreißig – Brüder und Schwestern nächtelang mit ihrem Wohnklotz herumgetrieben seien, bis jetzt, und alle zu seekrank seien, um noch etwas davon zu essen, deshalb könne der Mäuserich ruhig alles haben, und sie hoffe nur, daß er jetzt genug gegessen habe und keine Lust verspüre, einen von ihnen zu essen.
»Abba wattan, Püppeken«, meinte der Mäuserich dazu. »Ich werd doch nich sone spendablen Wohltäter essen, wennch so saachen daaf.« Es gelang ihm, sich aufzurichten und sich hinzusetzen.
Tish wußte nicht, was »spendabel« ist, aber sie nahm an, daß es ein weiteres seltsames Wort dieses Fremden war. »Du hast echt eine komische Art zu reden«, bemerkte sie.
»Abba wattan, Mädel, wattu da von dir gibs is auch nich nommaal«, erwiderte er.
»Nommaal«, wiederholte sie, und dann verstand sie es und sagte auf ihre Weise: »Normal.« Und sie wiederholte es noch einmal: »Normal.«
»Okay, okay, normal«, sagte er. »Wat sachse war noch dein Name?«
»Laetitia, aber alle nennen mich Tish. Und wie heißt du?«
»Hämmann. Sehr erfreut.« Er streckte ihr eine seiner Klauen hin, aber natürlich konnten sie sich nicht die Hände schütteln.
»Wie buchstabierst du ›Hämmann‹ ?« fragte sie.
»Frollein, ich buchstabier mich nich, basta.«
Der Regen setzte von neuem ein, Tish wollte den Großen Mäuserich in den Klotz einladen, wo es trockener war, aber sie hatte Bedenken. »Ißt du normalerweise nicht Knackerlaken?«
»Abba wattan. Nee. Ich eß Flöhe und Wanzen und Läuse und all son Zeuch. Kakerlaken mach ich nich. Krich Blähungen von, wennch so saachen daaf.«
Sie war sich immer noch nicht sicher, lud ihn aber ein, damit er aus dem strömenden Regen herauskam. Es wurde eng in ihrem Klotz; er nahm fast den ganzen Mußeraum ein, so daß kein Platz für ihre Brüder und Schwestern blieb, die ohnehin nicht aus ihrem Versteck hervorkommen wollten. Nur Jubal hüpfte die ganze Zeit nervös von einem Krabbler auf den anderen, als müßte er dringend wohin.
Hämmann redete wirklich gern und viel. Während er trocken und behaglich im Salon des Klotzes lag, erzählte er Tish und dem umherhopsenden Jubal seine Geschichte. Er redete fast die ganze Nacht lang. Jubal schlich zu seinen Brüdern und Schwestern und drängte sie, aus ihren Verstecken hervorzukommen. »Sein Name ist Hämmann, weil er nicht zu hemmen ist, wenn er mal
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