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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
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reden alle gleichzeitig, und das schon seit Nächten. Ein großes Problem für uns taube Seelen, Tish, besteht darin, daß wir das selektive Gehör verlieren: Wir können kein bestimmtes Geräusch, keine einzelne Stimme unterscheiden, auf die wir uns konzentrieren könnten, sondern hören nur ein allgemeines Durcheinander von Geräuschen, die sich zu einem einzigen verwirrenden Lärm vermischen. Deine reizenden, süßen Schwanzreifen haben die Fähigkeit, sich auf die Stimme deiner Wahl zu konzentrieren und alle anderen in den Hintergrund zu verbannen, aber meine armen Reifen können nicht unterscheiden zwischen den Stimmen von: Doc Swain, meinem Vater, Archy und anderen jugendlichen, aufdringlichen Chrusten und geschäftigen Wichtigtuern. Alle reden sie gleichzeitig. Wo bist du, Tish, meine Liebe?
    Alle debattieren sie darüber was getan werden kann, um dem hilflosen Mann zu helfen. Denn Er ist in der Tat hilflos, und es ist fraglich, ob Ihm überhaupt noch zu helfen ist, nicht bloß von uns, sondern von Seinen Mitmenschen auf dieser Welt, wenn es sie denn gibt, und ich bin sicher, es muß noch andere außer Sharon geben. Immerhin ist Er noch im Osten. Manchmal macht Er sogar die Augen auf. Sein Mund, dieses Verlies, aus dem mein Vater mit meiner Hilfe entkam, ist trocken, ausgedörrt und rissig. Aber Er ist bewegungsunfähig, an Seine Couch gefesselt, mal bei Bewußtsein, meistens aber ohnmächtig, schrecklich durstig, und Doc Swain schüttelt immer wieder still den Kopf wenn er Ihn ansieht.
    Die Atmosphäre hier ist ausgesprochen unangenehm: Die Luft im Mußeraum ist muffig vom Verwesterungsgestank, dem Gestank nach Fäulnis, Wundbrand und Krankheit und den üblen Dünsten, die wegen der Inkontinenz des Mannes von der durchnäßten Couch aufsteigen. Wenn Er jemals Verehrer hatte, so finden sie jetzt nichts Verehrungswürdiges mehr an Ihm. Niemand betet zu Ihm, niemand lobpreist Ihn oder bekundet Ihm Ehrerbietung. Der Prediger, Seine Heiligkeit Tichborne, hatte Ihn bereits verlassen und ist aus dem Parthenon, wie ich annehme, nicht zurückgekehrt, wo er wer weiß welches Unheil ausbrütet – fast hätte ich gesagt »Herr weiß welches Unheil«, aber der »Herr« weiß gar nichts. Der Herr wird seit neuestem von Wanzen heimgesucht, blutdürstigen kleinen Kreaturen, einfältig und entschlossen. Wir räumen nach Kräften unter ihnen auf, aber nicht schnell genug. Sie schlagen sich mit dem Blut des hilflosen Mannes voll.
    Weil ich nicht hören kann, kann ich nur reden. Eine weitere Stimme, und zwar eine laute, in dem allgemeinen Getöse. Aber alle hören mir zu. Sie hören mir zu, als wüßte ich allein einen Ausweg aus dieser mißlichen Lage, und vielleicht stimmt das, allerdings ist es mir selbst noch nicht ganz bewußt. Ich habe eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Sie wurden erwogen und geprüft, diskutiert und besprochen, aber keiner ist bislang ausprobiert worden …
    … außer meinem Vorschlag, wir sollten, bevor wir anfingen, uns gegenseitig aufzuessen, versuchen, in die Kartons in den Küchenschränken einzubrechen. In unserer Not hatten wir bereits die Seife gegessen, die wir in den Seifenschalen über der Spüle in der Kochstatt und in der Dusche im Badezimmer fanden. Hast du schon mal Seife gegessen, Tish ? Je nach Marke ist sie eßbar und sogar schmackhaft, und natürlich enthält sie wesentliche Nährstoffe und Mineralien: Fette, Alkali, Potassium, Kalium, Glyceride und so weiter, und es gibt Legenden in Stay More über Knackerlaken, die die einstige Entvölkerung des Dorfes dadurch überlebten, daß sie ein paar alte Stücke Kernseife fanden, eine schrecklich scharfe Speise, aber schmackhafter als das parfümierte moderne Zeug.
    Doc Swain und ich sind stolz auf unsere Eßwarensammlung, aber ich bin sicher, weder er noch ich hätten Lust, unsere Speisekammern mit sämtlichen unserer Nachbarn zu teilen – nur als allerletzten Ausweg, Doc war letzte Nacht mit dabei, als wir uns in der Küche um die Seifenschale versammelten zu einer Art Abendessen, bei dem uns auf lächerliche Weise der Seifenschaum aus den Mündern quoll und sie alle Witze (die ich nicht hören konnte) über den Geschmack des Essens und unser Aussehen oder worüber auch immer machten.
    Ich erzählte den anderen von meinem Plan, in die Schränke in der Kochstatt zu klettern und zu versuchen, ob wir uns nicht den Weg in ein paar Behälter aus Papier, Pappe, Karton oder wer weiß was freibeißen könnten, um etwas Eßbares und

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