Tanz der Kakerlaken
aufzugeben, sich der Erfahrung der Entrückung zu überlassen, um zu sehen, wie es war. Aber Chid wollte und konnte sich keiner Entrückung hingeben, nachdem er gerade erst in den Parthenon eingezogen war und noch keine der Freuden, die das große Haus zu bieten hatte, erfahren konnte.
Dann sah er seine Chance, machte Schluß mit dem wilden Hin- und Hergeflitze und flüchtete sich auf direktem Wege unter das Bett der Frau. Dort konnte Sie ihn nicht zertreten. Sie ließ sich auf die Knie herab und versuchte, ihn zu erspähen, wie er schnaufend und pfeifend dasaß, aber es war zu dunkel für Sie, obwohl er deutlich Zorn und Abscheu auf Ihrem lieblichen Gesicht erkennen konnte, und er war gekränkt. Ihre Haltung beleidigte ihn bitterlich. Er hatte vorgehabt, zu Ihr zu beten, Sie zu verehren, Ihr unaufhörlich seine Ergebenheit zu bekunden, aber jetzt blickte er Sie finster an und sagte: »Frau, du bist verdammt nochmal kein bißchen besser als ich. Deine Scheiße stinkt genau wie meine. Gott wird dich eines Tages western.«
Als hätte Sie ihn gehört, stand Sie auf. Sie verschwand aus der Reichweite seiner Schnüffelruten. Sie war nicht mehr im Zimmer. Chid blieb noch eine Weile in seinem Versteck unter dem Bett, dann kroch er hervor, krallte sich an der Tagesdecke fest, kletterte aufs Bett und lief auf dem Laken und den Blättern der Briefe umher; er war nahe genug, um die Blätter lesen zu können, die blumigen Gefühlsergüsse, mit denen der betrunkene Mann Sie überschwemmt hatte, die wortreichen Bekundungen Seiner Sehnsucht, Seiner Hoffnung auf ein gemeinsames Leben mit Ihr, Seine extravaganten Gleichnisse, in denen Er Sie mit dem ländlichen Frühling verglich, der sich um Sie beide herum entfaltete. Chid spuckte auf die mit Seinen Ergüssen vollgeschriebenen Blätter, und dann spuckte er auf das Laken.
Er kletterte das Kopfkissen der Frau hinauf, hockte sich hin, kniff sein Hinterteil zusammen und deponierte ein schwarzes Kügelchen Fäkalien auf Ihrem Kopfkissen. Er wollte sich gerade ein zweites abpressen, als Sie mit einer Blechdose in der Hand ins Zimmer zurückkehrte. Chid huschte unter das Kopfkissen und beobachtete Sie. Es schien eine Dose wie die Bierdose des Mannes zu sein, aber oben hatte sie eine knopfähnliche Vorrichtung, auf die Sie jetzt mit Ihrem Daumen drückte, wodurch sie einen giftigen Sprühnebel verbreitete. Die Frau ließ sich von neuem auf Hände und Knie hinunter und sprühte die Unterseite des Bettes ein. Die giftigen Dämpfe stiegen empor und fielen über Chids Schnüffelruten her, und er kroch tiefer unter das Kopfkissen und blieb dort, wo er vor dem schlimmsten Ansturm des Gases geschützt war, aber immer noch roch es, und er wußte, daß es tödlich war.
Schließlich hörte die Frau mit Ihrem Sprühen auf, setzte sich auf die Bettkante und sagte laut: »Da, du Geschmeiß, ich hoffe, das hat dich aufgelöst.«
Chid war nicht aufgelöst, aber die Dämpfe des Sprays waren so stark, daß einige Moleküle davon bis in sein Versteck drangen und ihm das Bewußtsein raubten. Als er, viel später, wieder zu sich kam, wußte er nicht, wo er war. Er fühlte einen ungeheuren Druck auf sich lasten, der ihn fast, aber nicht ganz erdrückte, beinahe so, aber nicht ganz, wie er sich die Erdrückung der Entrückung vorgestellt hatte. Er zwängte sich darunter hervor und entfernte sich aus dem Bereich des Kopfkissens. Der Druck, so stellte er fest, stammte vom Kopf der Frau, der auf dem Kissen lag. Immer noch schwindlig und verwirrt von den giftigen Dämpfen und gequält von einem gräßlichen Kater, war er sich zuerst nicht ganz schlüssig, was für eine Haltung er Ihr gegenüber einnehmen sollte: Sollte er Sie hassen, weil Sie versucht hatte, ihn zu vergasen? Oder war er von dem Gas verwestert worden und befand sich jetzt in den verheißenen Gefilden der Seligen? Er kletterte auf Ihre rechte Hand. Die Muskeln der Hand zuckten, aber Sie wachte nicht auf. Chid blieb lange Zeit dort sitzen, wartete, daß sein Verstand wieder klar wurde, wartete, daß sein Kater verschwand, wartete ab, ob wirklich etwas Genußvolles daran wäre, auf der rechten Hand der Frau zu sitzen, aber er kam schließlich zu dem Schluß, daß es nicht genußvoll war; tatsächlich war es schrecklich langweilig. Er konnte sich nicht vorstellen, die Ewigkeit auf der rechten Hand der Frau zu verbringen.
Die Sonne ging auf. Chid sah die gefürchteten Strahlen ins Zimmer strömen. Er blickte zum Kaminsims hinüber, wo die Maschine,
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