Tanz der Liebenden
könntest es nicht?“ murmelte sie, nahm Jack auf den Arm und stand auf. „Du hast bestimmt genug davon, hier herumzusitzen, oder, kleiner Mann? Warum gehen wir beide nicht für eine Weile zu mir nach Hause und lassen Dad hier in Ruhe weiterarbeiten?“
„Meine Mutter kommt nachher, um ihn abzuholen. Hier, gib ihn mir …“ Er streckte die Arme nach seinem Sohn aus, der sich plötzlich fest an Kate klammerte. Und seinem Vater damit tief ins Herz schnitt.
Sie sah es auf Brodys Gesicht, am liebsten wäre sie mit Jack auf dem Arm an Brody herangetreten, damit sie sich alle umarmen konnten. Aber das war jetzt nicht angebracht. Im Moment war erst einmal Distanz nötig.
„Ich bin für heute fertig, Brody. Lass mich Jack doch einfach mit zu mir nehmen. Dann kann er mir Gesellschaft leisten.“ Und ein Nachmittagsschläfchen machen, sagte sie lautlos, damit Brody von ihren Lippen las. „Ich rufe deine Mutter an, damit sie Jack bei mir abholt.“
„Ich will mit Kate gehen“, schluchzte Jack an ihrer Schulter.
„Fein. Großartig.“ Mit einem lausigen Gefühl aus Wut und Schuld schnappte er sich den Spachtel. Wie ein schmollender, weinerlicher Junge, dachte Kate. „Danke sehr.“
Er ließ sich erschöpft auf einem umgekehrten Eimer nieder, hörte noch, wie Jack, während Kate ihn hinaustrug, herzzerreißend jammerte: „Mein Daddy hat mich angeschrien.“
„Ja, ich weiß.“ Sie küsste Jack auf die heiße, tränenüberströmte Wange und stieg die Treppe hinunter. „Aber du hast ihn auch angeschrien. Ich glaube, ihm geht es jetzt genauso schlecht wie dir.“
Jack ließ einen kleinen Laut der Zustimmung hören und legte seinen Kopf mit einem schweren Seufzer an Kates Schulter. „Er fährt nicht mit mir nach Disney World, so wie Rods Vater.“
„Wahrscheinlich bin ich daran schuld.“
„Wieso?“
„Nun, weißt du, dein Dad macht diese Arbeit für mich, und er hat mir versprochen, dass er bis zu einem bestimmten Tag alles fertig hat. Und weil er es mir versprochen hat, habe ich anderen Leuten versprochen, dass ich für sie Dinge tue, und die verlassen sich jetzt darauf. Wenn dein Dad sein Versprechen brechen würde, dann kann ich meine den anderen Leuten gegenüber auch nicht halten. Das wäre doch nicht richtig, oder?“
„Nein, aber … aber vielleicht nur dieses eine Mal.“
„Wenn dein Dad dir etwas verspricht, hält er das dann auch?“
Jack ließ den Kopf hängen. „Ja,“ kam es ganz leise.
„Sei nicht so traurig, hübscher Jack. Wenn wir bei mir sind, werde ich dir eine Geschichte vorlesen.“
„Kann ich einen Keks haben?“
„Aber natürlich.“ Mit einem Lächeln drückte sie den Jungen fest an sich.
Er war schon eingeschlafen, noch bevor der Prinz von dem Fluch der bösen Hexe erlöst war und glücklich und zufrieden sein Königreich regierte.
Der arme Kleine, dachte sie und legte eine Decke über ihn. Armer Brody.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie gar nicht wusste, was Brody alles leisten musste. Als Vater tobte man nicht nur auf dem Wohnzimmerteppich oder spielte Ball im Garten. Man musste auch Tränen, Wutanfälle und Enttäuschungen hinnehmen, und man musste die richtige Mischung aus Disziplin und Güte finden. Manchmal musste man ‘Nein’ sagen, wenn das Herz laut ‘Ja’ schrie.
„Du wirst so geliebt, hübscher Jack“, murmelte sie und küsste ihn sanft auf die Stirn. „Er will, dass du es weißt.“
Und dieser Mann wurde auch geliebt. Sie seufzte. Sie wünschte, er würde es endlich begreifen. Denn lange würde sie nicht mehr warten. Sie wollte beide, den Mann und den Jungen.
Als das Telefon klingelte, beeilte sie sich, den Hörer abzunehmen. „Hallo. Ah.“ Lächelnd nahm sie den Apparat und verließ den Raum, damit Jack nicht gestört wurde. „Davidov, der große Meister persönlich. Was verschafft mir die Ehre?“
Später frischte Kate ihr Make-up auf und kämmte sich ordentlich das Haar. Es war albern, sie wusste es, aber sie würde zum ersten Mal Brodys Eltern gegenübertreten. Und da sie vorhatte, sie zu ihren Schwiegereltern zu machen, war ein guter erster Eindruck wichtig.
Jack war voller Energie von seinem Mittagsschläfchen aufgewacht. Diese Energie fand ihr Ventil in einem Wettrennen im Garten, einem blutrünstigen Kampf mit Action-Figuren und einer zusätzlichen Massenkarambolage mit Spielzeugautos. Danach war ein Snack in der Küche notwendig.
„Mein Dad ist böse auf mich“, sagte Jack und starrte bedrückt auf die Apfelstücke und das
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