Tanz der seligen Geister (German Edition)
für sie völlig undenkbar. Eine Frau, die dasitzt und in die Ferne starrt, in ein Reich, das nicht das Reich ihres Mannes oder ihrer Kinder ist, gilt gleichermaßen als widernatürlich. Ein Haus ist für eine Frau also nicht dasselbe. Sie ist nicht jemand, der ins Haus spaziert, um es zu benutzen, und dann wieder hinausspaziert. Sie ist das Haus; eine Trennung ist nicht möglich.
(Und das ist wahr, obwohl ich mich wie immer, wenn ich für etwas eintrete, das ich vielleicht gar nicht verdiene, zu emphatisch und emotional ausdrückte. Zu bestimmten Zeiten, vielleicht an länger werdenden, noch traurigen und regnerischen Frühlingsabenden, wenn aus kalten Blumenzwiebeln Blüten sprießen und ein Licht, zu fahl für Zuversicht, über dem Meer schwebt, öffne ich die Fenster und spüre, wie das Haus zusammenschrumpft zu Holz, Mörtel und den elementaren Stoffen, aus denen es erbaut ist, wie das Leben darin zum Stillstand kommt, und ich stehe da, schutzlos, mit leeren Händen, aber bebend von heftigem, unbotmäßigem Freiheitsdrang, von einer Einsamkeit, so hart und so radikal, dass ich sie noch nicht ertragen kann. Dann weiß ich, wie behütet und beschwert ich sonst immer bin, gut gewärmt und fest angebunden.)
»Ja, mach doch, wenn du eins findest, das billig genug ist«, war alles, was mein Mann dazu zu sagen hatte. Er ist nicht wie ich, er will gar keine Erklärungen hören. Dass das Herz eines anderen Menschen ein Buch mit sieben Siegeln ist, kann man ihn oft und ohne Bedauern sagen hören.
Selbst dann glaubte ich nicht, dass es etwas war, was sich erlangen ließ. Vielleicht hielt ich es im Grunde für einen zu ungehörigen Wunsch, als dass er in Erfüllung gehen konnte. Es wäre mir fast leichter gefallen, mir einen Nerzmantel oder ein Diamantencollier zu wünschen; das sind Dinge, die Frauen tatsächlich erhalten. Die Kinder begrüßten meine Pläne, als sie davon erfuhren, mit schneidender Skepsis und Gleichgültigkeit. Trotzdem ging ich in die Stadt zu dem Einkaufszentrum, das zwei Querstraßen von unserem Haus entfernt ist; dort waren mir seit einigen Monaten und ohne, dass mir der Gedanke gekommen war, sie könnten mich betreffen, in den oberen Fenstern eines Hauses, das einen Drugstore und einenSchönheitssalon beherbergte, zwei Schilder »Zu vermieten« aufgefallen. Als ich die Treppe hinaufstieg, hatte ich ein Gefühl völliger Unwirklichkeit; bestimmt war das Anmieten von Büros eine komplizierte Angelegenheit; man klopfte nicht einfach an die Tür der leeren Räumlichkeiten und wartete darauf, eingelassen zu werden; es musste durch Vermittlungen getan werden. Außerdem würde man zu viel Geld verlangen.
Wie sich herausstellte, brauchte ich nicht einmal zu klopfen. Eine Frau kam aus einem der leeren Büros und zerrte einen Staubsauger hinter sich her, stieß ihn mit dem Fuß zu der offenen Tür auf der anderen Seite des Flurs, die offenbar zu einer Wohnung im hinteren Teil des Hauses führte. Sie und ihr Mann lebten in dieser Wohnung; sie hießen Malley; und tatsächlich waren sie die Hausbesitzer und vermieteten die Büros. Die Räume, in denen sie gerade Staub gesaugt hatte, eigneten sich für eine Zahnarztpraxis, sagte sie mir, und wären daher für mich uninteressant, aber sie werde mir noch etwas anderes zeigen. Sie bat mich in ihre Wohnung, während sie den Staubsauger wegstellte und den Schlüssel holte. Ihr Mann, sagte sie mit einem Seufzer, den ich nicht deuten konnte, sei nicht zu Hause.
Mrs. Malley war eine schwarzhaarige, zart wirkende Frau etwa Anfang vierzig, verschlampt, aber immer noch mit einer gewissen Anziehungskraft und mitein paar willkürlichen Andeutungen von Weiblichkeit wie dem dünnen, grellen Lippenstiftstrich und den rosa Federpantoffeln an offensichtlich empfindlichen und geschwollenen Füßen. Sie hatte die geduldige Passivität, den Gesichtsausdruck von Erschöpfung und unterdrückter Besorgnis einer Frau, die ihr Leben damit zugebracht hat, für einen Mann zu sorgen, der abwechselnd energisch, griesgrämig und hilfsbedürftig ist. Wie viel davon ich gleich beim ersten Mal sah und wie viel erst später, lässt sich natürlich unmöglich sagen. Aber ich dachte da schon, dass sie wahrscheinlich keine Kinder hatte, die Belastung in ihrem Leben, was es auch sein mochte, ließ das nicht zu, und darin irrte ich mich nicht.
Das Zimmer, in dem ich wartete, war offensichtlich eine Kombination aus Wohn- und Arbeitszimmer. Das Erste, was mir auffiel, waren Schiffsmodelle –
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