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Tanz der Sinne

Tanz der Sinne

Titel: Tanz der Sinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Rollen spielte, sich aber für ein oder zwei Wochen von der zweiten Besetzung vertreten lassen würde.

    Sie wollte ihrer kranken Tante einen Besuch abstatten. Ein satirischer Unterton in seiner Stimme bewies, daß er die Tante für reine Erfindung hielt. Er war im Künstlerzimmer gewesen, als sein aufgehender Stern entführt worden war.
    Zur nächsten Vorstellung der Zigeunerbraut würde sie allerdings wieder da sein, schließlich war das ihre wichtigste Rolle. Mr. Wolsey sollte nicht unterlassen, seinen Lesern mitzuteilen, daß ein weiteres Stück mit Miss James in der Hauptrolle in Vorbereitung war. Sie würde eine Hosenrolle spielen, und er wagte vorherzusagen, daß ganz London ihr zu Füßen liegen würde.
    Nein, er hatte keine Ahnung, wo die junge Dame wohnte. Wenn man bedachte, was für temperamentvolle Geschöpfe die meisten Schauspielerinnen waren, dankte er seinen Sternen, daß Cassie so häuslich war, pünktlich zur Arbeit erschien und ihrem leidgeprüften Direktor keine Gegenstände an den Kopf warf. Wenn Mr.
    Wolsey ihn entschuldigen wollte, er mußte wieder an die Arbeit.
    Lucien verließ das Theater frustriert, aber nicht überrascht. Wieder einmal hatte Lady Jane ihre Spur geschickt verwischt.
    Als er nach Hause kam, hatte ein anonymer Junge dort ein Paket abgegeben. Er öffnete es in seinem Arbeitszimmer und entdeckte darin das fehlende Cape und einen Brief ohne Unterschrift: »Was immer Sie von mir denken mögen, ich bin keine Diebin.«
    Es besserte seine Stimmung nicht gerade, einen Beweis ihrer – relativen – Ehrlichkeit in Händen zu halten. Am liebsten hätte er das Cape an die Wand geschleudert, aber er beherrschte sich, der schwere Wollstoff hätte keinen
    zufriedenstellenden Lärm gemacht.
    Ganz abgesehen davon, er hatte sich schon viel zu viele Emotionen erlaubt, was Jane betraf. Es wurde höchste Zeit, daß er seine Begierde vergaß und die Frau neutral betrachtete wie jedes andere Objekt seiner Nachforschungen. Er warf das Cape über ein Sofa und setzte sich mit Papier und Feder an seinen Schreibtisch.
    Zuallererst: Was wußte er eigentlich von ihr?
    Die eine unbestreitbare Tatsache war, daß sie eine Schauspielerin war, eine weltliche Frau mit einem außergewöhnlichen Talent, jede Rolle von der scheuen Naiven bis zur engagierten Intellektuellen zu spielen.
    Sie war ihm in vieler Hinsicht ähnlich – viel zu ähnlich, denn dieser Umstand lag sowohl seiner Besessenheit wie auch seinem Zorn zugrunde.
    Sie waren beide unaufrichtig, imstande, mit äußerster Überzeugungskraft zu lügen. Er war überzeugend, weil er immer einen Grund für seine Lügen hatte; er war ehrlich davon überzeugt, daß er im Interesse seines Landes handelte.
    In Jane mußte ein ähnlicher Kern von Aufrichtigkeit stecken, sonst wäre sie keine so gute Lügnerin gewesen. Eigentlich hatte sie es selbst zugegeben, als sie ihm erklärte, warum ihre Geschichte über einen nichtexistenten Bruder so überzeugend gewesen war. Dieser zugrundeliegenden Ehrlichkeit war es zuzuschreiben, daß er ihr wieder und wieder glaubte.

    Was trieb sie dazu, unaufhörlich ihr Leben und ihren Ruf aufs Spiel zu setzen? Er schrieb diese Frage auf und unterstrich sie zweimal. Wenn er die Antwort kannte, würde er sie endlich verstehen.
    Er dachte an die Geschichten, die sie ihm erzählt hatte. Zuerst war sie eine Schwester gewesen, die versuchte, einem jüngeren Bruder zu helfen, dann eine Journalistin, die entschlossen war, Vergewaltigung und Mißbrauch von schutzlosen jungen Frauen anzuprangern. Das gemeinsame Thema war Schutz, und ihre leidenschaftliche Anteilnahme war ungemein überzeugend gewesen.
    Fazit: ihr irritierendes, unberechenbares Verhalten wurde wahrscheinlich von dem Wunsch gelenkt, jemanden zu schützen. Möglicherweise einen Liebhaber?
    Sein Mund wurde hart. Der Gedanke mißfiel ihm, aber ein Liebhaber in Not hätte die Widersprüchlichkeit ihrer Reaktion auf Lucien erklärt. Sie schwankte zwischen der Anziehung, die er auf sie ausübte, und der Treue zu einem Liebhaber, und das Ergebnis waren fieberhafte Küsse im einen und kopflose Flucht im nächsten Augenblick.
    Einen Moment lang erschütterte die Vorstellung von ihr mit einem anderen Mann seine entschlossene Neutralität. Er brauchte eine Weile, ehe er das Bild so weit unterdrückt hatte, um in seiner Analyse fortzufahren.
    Ihre hartnäckigen Versuche, die Höllenhunde auszuspionieren, deuteten daraufhin, daß ihr Ziel innerhalb der Gruppe lag. Anscheinend hatte

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