Tanz der Sinne
dabei.«
Ihre Wanderung hatte sie zurück zur Kapelle geführt, in der es still geworden war. Im Westen ging der Mond unter. »Wann und wie kommen alle nach Hause?« fragte Lucien.
»Die meisten schlafen hier ihren Rausch aus, aber ich gehe jetzt. Möchten Sie mit mir nach London zurückfahren?«
Der Gedanke war verlockend. Lucien zögerte und schüttelte dann den Kopf. »Das wäre unhöflich beim ersten Mal. Ich bleibe bis zum Schluß.«
Die Männer verabschiedeten sich voneinander, und Lucien betrat wieder die Festhalle. Nach der Frische der Nacht war die schale, überhitzte Atmosphäre zum Ersticken. Reglose Leiber, männliche und weibliche ineinander verknäult, lagen auf Liegen und Fußboden verstreut. In einer Ecke lag Westley kichernd auf dem Rücken, während eine nackte Frau ihm Wein in den Mund goß. Niemand sonst schien wach zu sein.
Lucien sah sich nach einem ruhigen Platz zum Schlafen um. In diesem Augenblick tauchte Nunfield aus einem der Privatzimmer auf. Er bewegte sich mit der übertriebenen Vorsicht des sinnlos Betrunkenen. An seinem Arm hing ein deftiges Weibsstück mit einer Halbmaske aus Fasanenfedern.
»Lucifer! Sie hab’ ich gesucht«, strahlte Nunfield.
»Sie Bussen mit Lola hier gehen. Sie is’ ungemein talentiert.«
»Vielen Dank, Liebling«, gurrte sie mit blitzenden Augen. »Es ist mein Ziel, zu gefallen.« Sie streckte eine sehnige Hand aus und packte Luciens Handgelenk. »Komm mit, ich werd’ dich nicht enttäuschen.«
Lucien suchte nach einer Ausrede, aber dann sah er, wie scharf Nunfield ihn beobachtete. Es wäre verdächtig, wenn er ablehnte, also mußte er zum Schein auf das Angebot eingehen. Sobald er mit der Frau alleine war, würde er sie abwimmeln, wie er es in Chiswicks Haus getan hatte. Er gab sich den Anschein, betrunken zu sein, und sagte mit schwerfälliger Galanterie: »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Madame Lola.« Er bot ihr seinen Arm und verlor dabei scheinbar fast das Gleichgewicht.
Sie fing ihn geschickt auf und führte ihn in eines der Zimmer. Er fühlte, wie Nunfields Blicke ihn durchbohrten, als sie die Halle durchquerten.
In dem Zimmer stand eine Liege, die breit genug war für zwei. Lola warf ihre Maske beiseite und zwang Lucien, sich auf die Kante zu setzen. Dann kletterte sie in seinen Schoß und umschlang ihn in einem hitzigen Kuß. Wie Nunfield gesagt hatte, sie war außergewöhnlich erfahren. Trotzdem spürte er, daß der überschwenglichen Zurschaustellung von Leidenschaft ein Charakter zugrundelag, der kalt und berechnend war wie ein Reptil.
Angewidert machte er sich los und sagte undeutlich: »Ein Jammer, daß ich dich nicht eher getroffen hab’, Lola, bevor ich all meine Energie verbraucht hab’.« Zur Unterstützung stieß er kräftig auf. »’schuldigung. Ich hätt’ nich’ so viel trinken sollen.«
Er wollte sie sich gerade vom Schoß hieven, da glitt ihre Hand über seinen Oberkörper. Der prinzipienlose Schurke, der an seinem Unterleib angewachsen war, begann, sich unter ihren geschickten Fingern aufzurichten.
Sie lachte zufrieden. »Keine Angst, Junge, da steckt noch Leben drin. Lola macht das schon.«
Nach dem harten Glanz ihrer Augen zu urteilen, verachtete sie Männer insgeheim und genoß es, sie sich hilflos ausgeliefert zu sehen. Den meisten Männern wären ihre privaten Ansichten gleichgültig gewesen, denn ihr Benehmen war der Stoff, aus dem männliche Wunschbilder sich speisen. Aber nicht seine. 0 Gott, nicht seine. Er wollte einfach gehen, aber er wußte, daß er seine lasterhafte Rolle weiterspielen mußte.
Während er zwischen Pflicht und Neigung schwankte, drückte Lola ihn nach hinten auf die Liege. Dann hob sie den Saum seiner Mönchskutte und machte sich an seiner Hose zu schaffen. Als ihre heißen Lippen sich um sein Glied schlossen, durchschoß ihn rohe Begierde und legte seinen Verstand lahm. Es war schon lange her, zu lange, seit er bei einer Frau gewesen war, und sein Körper ließ sich nicht länger verleugnen.
Lolas Dienste brachten ihn in Minutenschnelle zum Höhepunkt, aber die körperliche Erleichterung verschaffte ihm keine Befriedigung.
Sobald seine wütende Gier gestillt war, überfiel ihn Verzweiflung.
Was tat er hier mit einer vulgären Schlampe?
Warum glaubte er, seine Ränke seien notwendig, um England zu retten? England hatte Jahrhunderte ohne ihn bestanden, und würde noch lange nach ihm weiterbestehen. Er war ein Narr zu glauben, daß seine Handlungen irgendeinen Unterschied
Weitere Kostenlose Bücher