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Tanz der Sinne

Tanz der Sinne

Titel: Tanz der Sinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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wieder nach Eton mußte. Wir hatten einen Besuch bei Verwandten gemacht und waren auf dem Rückweg nach Ashdown. Die Reisekutsche, in der wir fuhren, war riesig und schwerfällig. Nicht weit von der Straße gab es ein paar römische Ruinen.
    Linnie wollte sie sehen, deshalb habe ich meinen Vater gequält, daß er uns hinfahren läßt. Zu guter Letzt war er einverstanden – ich konnte ziemlich hartnäckig sein. Wenn ich es nicht gewesen wäre…« Er verstummte, und sein Gesicht wurde totenbleich.
    »Hattet ihr einen Unfall?«
    Er schluckte schwer. »Es hatte seit Tagen geregnet, und die Erde war sehr weich. Wir fuhren eine steile Strecke am Ufer eines Sees hinauf und der Boden gab unter dem Gewicht der Kutsche nach. Wir rollten den Hügel hinunter. Der Fahrer und sein Kompagnon wurden vom Kutschbock geschleudert und waren nur leicht verletzt. Im Inneren der Kutsche herrschte das reinste Chaos, und wir vier wurden gnadenlos herumgeworfen.«
    Er ließ den Vorhang los und drehte sich um. »Die Kutsche rollte in den See. Wasser strömte durch ein zerbrochenes Fenster. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich überhaupt an meine Eltern gedacht habe. Sie waren beide bewußtlos, glaube ich. Sie hatten nie eine Chance. Ich packte Linnie und zerrte sie aus dem Fenster. Das Wasser war eiskalt, und mein Körper war in Sekundenschnelle taub. Eines der Pferde hatte mit seinen Hufen meinen Knöchel getroffen, aber ich habe überhaupt nichts gespürt.
    Ich konnte mit Linnie ans Ufer schwimmen, obwohl unsere nassen Kleider so schwer waren, daß ich Angst hatte, sie würden uns nach unten ziehen. Der Wind war bitterkalt. Sie atmete noch, aber ich wußte, daß sie sterben würde, wenn ich sie nicht schnell in Sicherheit brachte. Wir waren kurz vorher an einem Bauernhof
    vorbeigekommen, und ich habe versucht, sie dorthin zu tragen. Ich weiß noch, wie wütend ich war, weil mein Knöchel mich behinderte. Ich hab’
    erst später gemerkt, daß er gebrochen war. Ich hab’ ihn an dem Tag so mißhandelt, daß er mir immer noch von Zeit zu Zeit Ärger macht.
    Der Bauernhof war schon in Sichtweite, als Linnie ihre Hand hob und mein Gesicht streichelte. Sie hat gelächelt, ein süßes, trauriges Lächeln, und ich wußte, daß sie Lebewohl sagte. Und dann…
    und dann…« Seine Stimme versagte, und es dauerte lange, ehe er mit kaum hörbarem Plustern fortfuhr: »Ich habe gespürt, wie Ihre Seele ihren Körper verließ.«
    Noch einmal lief Kit zu ihm hin und hielt ihn fest.
    »Es war nicht deine Schuld«, sagte sie nachdrücklich. »Wenn du nicht gewesen wärst, wäre Linnie vielleicht nicht einmal elf geworden.
    Du hast alles Menschenmögliche getan.«
    »Aber es war nicht genug«, sagte er trübe. »Es ist absurd, nicht wahr? Ein erwachsener Mann trauert um ein Kind, das vor über zwanzig Jahren gestorben ist. Ich habe meine Eltern und meine Kindheit verloren, beides an einem Tag. Es war entsetzlich, aber ich habe überlebt, und mit der Zeit ist der schlimmste Schmerz vergangen. Aber die Trauer um meine Schwester ist immer gegenwärtig.«
    »Linnie war dein Zwilling, dein anderes Ich«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Eine Zigeunerin hat Kira und mir einmal erzählt, daß Zwillinge einander in einem früheren Leben sehr nahegestanden haben. Diese Bindung reicht über den Tod hinaus.«
    »Du verstehst mich«, sagte er unsicher. »Ich glaube, das kann nur ein anderer Zwilling.
    Deswegen habe ich nie irgend jemandem davon erzählt, Oh, Kit, Kit, Kit…«
    Sein Mund fand ihre Lippen, und er küßte sie mit einer Art Verzweiflung. Ihre Erschütterung entflammte zu Leidenschaft. Er warf seinen Morgenrock ab, sie zerrte sich das Hemd über den Kopf. Ein paar kurze Schritte zum Bett, dann lag sie unter ihm auf der Matratze. Ihre Hände erkundeten seinen Körper und entdeckten, was ihm Freude bereitete. Seine hitzigen Lippen fanden geheime, empfindsame Stellen und erregten einen Hunger, der sie beschämt hätte, wenn sie nicht jenseits aller Scham gewesen wäre.
    Ihre Vereinigung war so natürlich wie das Atmen.
    Ihre Erregung betäubte den Schmerz und war doch selber fast eine Art Schmerz. In ihrer Umarmung lag Trost für sie beide. Dann wirbelte blendender Wahnsinn sie davon, bis sie an ihm zerbrach. Sie krallte nach ihm, ihr Körper zuckte, als er wieder und wieder in sie eindrang.
    Hinterher lagen sie einander in den Armen, erschöpft, ohne sich zu bewegen. Sie empfand nichts außer leisem Staunen und tiefer Zufriedenheit in jeder Zelle

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