Tanz der Verführung
»Mama! Mama!«
Schließlich kam Thomas’ Frau Mary heraus, einen Säugling auf dem Arm. Der Duft von Essen wehte durch die offene Tür. Sie lächelte und winkte ebenfalls, doch die begrüßende Geste wirkte zögerlich. Auch auf ihrem Gesicht spiegelte sich ein Vorbehalt, der Rexana bei früheren Besuchen nie aufgefallen war.
Sie unterdrückte ihr beginnendes Unbehagen, rutschte aus dem Sattel und strich ihre Röcke glatt. »Hallo, Mary.«
Die Frau verbeugte sich tief. »Guten Tag, Lady Linford, welch eine Ehre, Euch zu sehen.«
Rexana musste sich anstrengen, nicht finster dreinzublicken. Warum bebte Marys Stimme? Stand sie Rexana nun anders gegenüber, seit sie den High Sheriff geheiratet hatte? Mary dachte doch nicht, dass die Heirat sie verändert hatte?
Rexana lächelte sie freundlich an und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich freue mich, dich zu sehen. Ist Thomas da?«
Mary versteifte sich. »Wollt Ihr ihn sprechen?«
»Ja.«
Beklommenheit verdüsterte Marys Blick, dennoch bat sie Rexana hinein. Als Rexana über die Schwelle des Hauses trat, krampfte sich ihr Magen zusammen. Warum wirkte Mary nur so kühl, ja sogar ängstlich?
Der im Halbdunkel liegende Raum war in warmes Kerzenlicht getaucht, und das Knacken des Feuers beruhigte Rexanas Nerven. Sicherlich hatte Mary von Rudds Verhaftung gehört. Eine solche Nachricht musste die Familie unweigerlich in Unsicherheit versetzt haben, denn Rudd hatte ihnen immer großzügig geholfen und dafür gesorgt, dass sie nicht hungern mussten.
Thomas lümmelte auf einem klapprigen Stuhl neben dem Feuer und hatte das Kinn auf die Brust gelegt. Sein verwundetes Bein hatte er der Wärme entgegengestreckt, und er schnarchte so laut, dass er den blubbernden Kessel über dem Feuer übertönte. Rexana stieg über einen dösenden Hund hinweg und berührte seine wettergegerbte Hand.
Er zwinkerte, doch sobald er sie wahrnahm, setzte er sich mit einem Ruck auf. »Mylady!« Er bemühte sich aufzustehen.
»Mach dir keine Umstände, ich weiß, dass dein Bein schmerzt.«
Mit einem frustrierten Grunzen ließ Thomas sich zurück auf den Stuhl fallen. »Nach all den Monaten hoffe ich, eines Tages doch wieder wie ein richtiger Mann laufen zu können.«
»Der Heiler hat gesagt, dass deine Wunde genesen wird«, erinnerte ihn Rexana freundlich. »Aber das braucht seine Zeit, du musst Geduld haben.«
Eines der Mädchen kam mit einem ramponierten Holzstuhl angerannt. Rexana bedankte sich mit einem Nicken und setzte sich dann neben Thomas.
»Wollt Ihr vielleicht ein Bier, Mylady? Oder etwas Gemüsesuppe?«, fragte Mary.
Rexanas Magen knurrte, denn sie hatte nicht daran gedacht, Proviant mitzunehmen, außerdem roch es köstlich aus dem Kessel. Doch Thomas hatte fünf Kinder zu versorgen, inklusive zwei Söhnen, die tagsüber auf den Feldern arbeiteten. Seine Familie hatte also so schon wenig zu essen. »Nein, danke.«
Thomas sah seine Frau an und schickte sie mit einer Handbewegung fort. Mary zögerte einen Moment, unsicher, ob sie einfach gehen sollte, doch Thomas nickte ihr barsch zu. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.
Rexana atmete tief durch und versuchte, ihren rasenden Puls zu beruhigen, doch ihr Magen verkrampfte sich nur noch mehr. Sie betete, Thomas möge ihr die Informationen geben, die sie benötigte.
»Ihr seid gekommen, um mit mir über Rudd zu sprechen«, sagte er, noch bevor sie etwas fragen konnte.
Sie nickte. »Sheriff Linford hat ihn wegen Verrats festgenommen, er glaubt nicht an seine Unschuld. Thomas, ich brauche deine Hilfe. Du kannst ihm doch von Rudds ehrenhaftem Charakter erzählen. Du bist dem König treu ergeben und weißt, dass auch Rudd ihm ein loyaler Diener ist.«
Thomas blickte auf ihre Brosche und starrte dann ins Feuer. Sein Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an.
»Thomas?«
Von draußen war leises Gemurmel zu hören, Mary schien mit ihren Kindern zu sprechen. Vielleicht waren ihre Söhne früher nach Hause gekommen, und sie bat sie, vor der Tür zu warten.
Rexana versuchte, sich zu konzentrieren. Sie beugte sich vor und rang die Hände. »Bitte, Thomas. Du musst mir helfen, Rudd zu retten.«
Die Haustür flog auf.
Ein großer Mann mit breiten Schultern stand im Eingang. Ein tiefer Schreck durchfuhr Rexana, als Fane zu sprechen begann.
»Ihr seid verrückt hierherzukommen, Weib. Thomas weiß, dass Euer Bruder schuldig ist. Und ich weiß es auch.«
Zornerfüllt betrachtete Fane, wie Rexana aufstand und ihr Gewand über
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