Tanz des Lebens
nach der Geldbörse machte sich auf den Weg zur Bar. Melissa nutzte den Moment, trat neben Luke und berührte ihn vorsichtig am Arm, um ihn nicht zu erschrecken, bevor sie ihn ansprach. »Du spielst fantastisch. Wie machst du das nur ohne … Also, ich meine –« Lachend unterbrach Luke sie. Er fasste sie sanft bei den Schultern und zog sie etwas abseits.
»Du meinst, wie ich das ohne Augen machen, das ist es doch, was du fragen wolltest, oder?« Verlegen biss sie sich auf die Lippen und nickte. »Melissa, du musst nicht verlegen sein.« Er hielt inne und ließ ihre Schulter los. »Ich bin blind, aber das ist keine tödliche Krankheit. Du kannst mich alles fragen, was du wissen möchtest. Ich habe kein Problem, darüber zu reden, okay?«
»Danke«, murmelte Melissa erleichtert.
Luke lachte entwaffnend über das ganze Gesicht und schlang locker einen Arm um ihre Taille. »Also gut, damit zu deiner Frage. Viele denken, dass ein Spieler nur ein geübtes Auge besitzen muss, um die Lage auf dem Tisch laufend zu überblicken und zu analysieren. Aber das stimmt nur bedingt. In mancher Hinsicht ist ein Billardspieler mit einem Schachspieler zu vergleichen, denn auch beim Billard muss man seinen Angriffsweg im Voraus planen. Ein ausschließlich technisch operierender Billardspieler wird am Tisch seinem Gegner unterliegen, wenn er nicht über eine taktische Denkweise verfügt, denn nur so ist er fähig, den Spielball soweit zu beherrschen, dass dieser nach dem Ausrollen schon wieder in bester Ausgangsposition für den nächsten Stoß liegt.«
Fasziniert lauschte Melissa seinen Erklärungen. Luke unterbrach sich kurz, legte den Kopf schief und lauschte einen Moment nach ihrer Atmung. Danach lächelte er erfreut auf und fuhr fort: »Ich bin blind geboren. Irgend so ein verdammter Gendefekt ist dran schuld. Meine Schwester stellte jedoch bald darauf fest, dass meine anderen Sinne außergewöhnlich geschärft waren. Und dank Fayes unermüdlichen Trainings besitze ich heutzutage ein exzellentes Gehör und einen mehr als außergewöhnlichen Tast- und Geruchsinn. Damit bin ich praktisch gesehen ein menschliches Echolot«, witzelte er grinsend. »Du solltest dich also in Acht nehmen, denn mit diesen besonderen Gaben kann ich meine Umwelt trotz der Blindheit mühelos wahrnehmen.«
»Ihr seid wirklich genial«, stellte Melissa fest. Und du bist ein außergewöhnlich hübscher junger Mann, fügte sie im Stillen hinzu, als sie ihn ansah, verschluckte es aber gerade noch, bevor sie weitersprach. »Ich habe auch zwei Brüder. Aber zu keinem habe ich so ein tolles Verhältnis wie ihr beide zueinander.«
»Wenn du meine Schwester erst mal näher kennenlernst, wirst du das verstehen«, erwiderte Luke ernst. »Sie ist meine Lebensader und der allerbeste Freund, den man sich wünschen kann.«
Berührt von so einem liebevollen Geständnis, noch dazu aus dem Mund von einem Jungen, bekam Melissa feuchte Augen. Ihre Tante hatte ihr zwar schon viel von dem außergewöhnlichen Geschwisterpaar erzählt, aber nicht, wie beeindruckend und sensibel Luke war. Liam hatte der Unterhaltung scheinbar unbeteiligt zugehört, als Jhonfran ihm zuwinkte und erklärte, dass er jetzt an der Reihe war. Also schlängelte Liam sich durch die Mädchen nach vorne an den Tisch.
In dem Moment, als er den Queue in die Hand nahm, erklang ein abruptes Keuchen. Alarmiert ließ Liam den Queue fallen und sah gerade noch, wie Faye sich versteifte und unvermittelt zu zittern begann. Alle Freunde starrten auf die dunkelroten, kleinen Punkte, die auf ihren Händen erschienen und sich in rasender Geschwindigkeit über die Länge ihre Arme ausbreiteten. »Quin … Es ist etwas mit Quin passiert«, wisperte sie atemlos.
»Mit wem? Wovon redest du?«, fragte Randy und wollte erschrocken auf Faye zueilen. Doch Zoe sah den fremden Ausdruck in Fayes Augen und schaltete sofort. Instinktiv glitt sie an Fayes Seite, nahm sie in den Arm und schirmte sie so vor Randys Blicken ab. Sie spürte die drohende Ohnmacht, die Faye zu überrollen drohte; ihre Augen begegneten denen Melissas, die ihr angespannt zunickte – und dann handelte Zoe instinktiv.
Vorsichtig zog sie Fayes Kopf zu sich herunter und flüsterte ihr beschwörend ins Ohr: »Luna-Fayetta! Te non deficient. Incumbo. Sentire virtutis. Incumbo! Incumbo!« Mit raschen Schritten lösten sich jetzt auch Liam und Melissa von der Gruppe, gingen auf sie zu und bildeten ein Schutzschild um Faye, aus deren Augen sich jetzt langsam
Weitere Kostenlose Bücher