Tanz des Lebens
brauche dich jetzt.«
Wie von einer Tarantel gestochen wirbelte er herum und schüttelte dabei wütend ihren Arm ab. »Du brauchst Trost? Warum suchst du dir dann nicht jemand weniger Fürchterlichen dafür?«
Von seinem plötzlichen Ausbruch erschüttert, wandte Faye sich erschrocken ab und versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. Mein Gott, er war tatsächlich noch gefühlskälter als die Antarktis im tiefsten, zugeschneiten Winter. Durch nichts zu erschüttern. Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte sie sich gequält zu ihm um und streckte ihm ihr regennasses Gesicht entgegen.
»Manchmal muss man Gefühle zulassen. Das nennt man Leben, Quin.«
»Das kann ich nicht«, erwiderte er erstickt.
»Das ist keine Antwort.«
»Doch. Und es ist die einzige, die ich dir geben kann. Du solltest mittlerweile bemerkt haben, dass ich egoistisch und gefühlskalt bin.« Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich unwohl dabei, einen Menschen seelisch zu verletzen. Er hasste sich dafür, ihr wehzutun, aber er konnte einfach nicht aus seiner Haut.
»Du bist ein eingefrorener Eisklotz, der Angst vor dem wirklichen Leben hat«, schrie sie ihm zu. »Irgendwann wirst du in dieser Leere ertrinken. Ist es denn so furchtbar, etwas zu fühlen – irgendetwas zu fühlen ?«
Der Anblick ihres kreidebleichen Gesichts und ihrer vor Erschöpfung schwankenden Gestalt auf dem Kliff, versetzten ihm einen Stich. Fluchtartig drehte er seinen Kopf und blickte stumm auf das aufschäumende Meer.
Verloren stand Faye hinter ihm und streckte ihm ihre zitternden Hände entgegen. Verzweifelt hoffte sie auf ein Wort von ihm oder eine Reaktion. Aber er stand nur steif wie eine Marmorstatue da. Sein Gesicht spiegelte keinerlei Gefühlsregung wider. Am Ende ihrer Kräfte gab sie schließlich auf. Müde drehte Faye ihm den Rücken zu, wandte sie sich zutiefst enttäuscht um und lief durch den sintflutartigen Regen. Sie musste ihren Körper hart gegen den Wind stemmen, um gegen den Sturm vorwärts zu kommen.
14
Zeit der Entscheidung
D er heulende Sturm, der wie die Stimme eines schreienden Kindes klang, peitschte die Äste der Douglastannen hin und her. Das grollende Gewitter ließ Blitze den schwarzen Nachthimmel durchzucken, die den Blick auf die Szenerie freigaben. Ein infernalisches Tosen ertönte und der von der schwarzen Feuermacht getroffene Baum stürzte krachend zu Boden. Dunkle, halblaut gemurmelte Beschwörungen vermischten sich mit den Schatten der Nacht.
Die tosende Brandung des Pazifiks rollte über sie hinweg. Verzweifelt versuchte sie zurück an die Oberfläche zu schwimmen, aber es ging nicht. Mit angstvoll geweiteten Augen sah sie hoch über sich die hellgrün glitzernde Wasseroberfläche, die sich in immer schnelleren Wellen von ihr entfernte. Nur ein milchiger, gebrochener Lichtstreifen der Sonnenstrahlen fiel auf die spiegelglatte Wasseroberfläche. Einzelne Erinnerungsfetzen strömten trotz des schwarzen Bannspruchs, der ihren Körper lähmte, auf Faye ein.
Verschwommen sah sie die beiden Beschwörungskreise. Etwas brannte. Dann sah sie eine hünenhafte, verhüllte Gestalt, deren Gesicht im Schatten einer Kapuze verborgen lag. Selbst unter Wasser konnte Faye die schwarze und abgrundtiefe, tödliche Macht spüren. Die Kreatur verströmte eine Aura des Bösen. Angstvoll schlug sie im Bett um sich und versuchte sich verzweifelt aus diesen verstörendem Alptraum zu befreien.
Nebelhaft tauchten nach und nach andere Bilder auf und sie sah in ihrer Vision die dunkle Kapuzengestalt auf sich zukommen. Ein gewaltiger Feuerball schnellte auf sie zu. Nackte Angst kroch durch ihre Adern und durchflutete ihr Innerstes, dann züngelten verzehrende Flammen an ihr hoch. Ein Ozean von Gedankensplittern explodierte in Fayes Kopf. Sie war nicht selbst gesprungen, etwas hatte sie in die Tiefe gerissen.
Flackernde Bilder tauchten vor ihren inneren Augen auf: ein grauenvoller, unheimlicher Ort mit einem bestialischer Gestank … ein Ring … eine gesichtslose, schwarzhaarige Gestalt … ein blonder Haarschopf … Beschwörungssprüche, in einer Sprache, die sie nicht verstand. So viel Feuer … so viel Hitze.
Jemand versuchte ein dämonisches Ritual zu vollziehen und sie spürte den Hauch des nahenden Todes. Dann wurde es unheimlich still. Faye versank in einem grünen, taumelnden Strudel, der sie immer weiter unter die Wasseroberfläche riss. Und die Welt hörte auf, sich zu drehen …
»Nein.« Faye schrie und schrie, bis sie von dem
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