Tanz des Lebens
nichtssagend.
Hier hing kein einziges Bild an der Wand, nicht mal ein verirrtes Pinupgirl oder ein vielleicht eines der Filmplakate, mit denen das Kinderzimmer ihres Bruders gepflastert war. Luke konnte sie zwar nicht sehen; liebte es aber, wenn sie ihm die Plakate beschrieb und sie danach stundenlang über den Film redeten. In diesem Zimmer jedoch gab es nichts Persönliches. Auch an dem Spiegel an der Wand neben dem Schreibtisch, gab es keine eingeklemmten Bilder von Freunden, Schulkameraden oder gar von einem Mädchen.
Quins Zimmer gab nichts über ihn preis. Es war ein weißer, leerer Ort. Einsam und auf beklemmende Weise seelenlos – wie ein steriler Operationsaal. Schließlich seufzte Faye auf und zwang sich, nicht mehr über diesen geheimnisvollen, eigenartigen Jungen, der hier normalerweise wohnte, nachzudenken. Energisch wandte sie sich von ihren Tagträumen ab und kam in die Gegenwart zurück.
Flink öffnete sie die Koffer und verstaute ihre und Lukes mitgebrachte Sachen in dem riesigen Schrank. Dabei glitt sie mit ihren Fingern gedankenverloren über Quins T-Shirts und seine Shorts, die in der ersten Schublade lagen. Verdammt, ich muss an was anderes denken, sonst ticke ich noch aus. Mit einem Knall schmiss sie die Schranktür zu und beschloss spontan, auf den Wochenmarkt zu fahren. Wenn sie schon hier wohnte, konnte sie sich auch nützlich machen und für heute das Kochen übernehmen.
Vom Meer her wehte eine frische Brise durch den Ort, spielte mit ihren langen Haaren und trug den Geruch von frisch gemähten Gras, gegrilltem Fisch, Blumenpotpourris und salziger Meeresluft durch die Straßen. Der Himmel war wolkenlos und azurblau. Es war auf vertraute Weise beruhigend, durch die schmalen, quirligen Wege des Küstenortes zu wandern und die Schaufenster der Boutiquen zu betrachten.
In den eng aneinandergereihten, buntgestrichenen Restaurants saßen unzählige Touristen und aßen ein typisches Monterey-Gericht: Scampi-Linguini; butterweiche fangfrische Garnelen mit Käse überbacken und ofenfrisches Knoblauchbrot. Das war auch Fayes Lieblingsgericht. Offensichtlich herrschte Hochbetrieb, denn sämtliche Hafenrestaurants waren wie auch der Parkplatz und die engen Straßen hoffnungslos überfüllt. Es brauchte eine ganze Weile, bis Faye sich durch das quirlige Treiben der Touristen gewühlt hatte.
Tief in Gedanken versunken spazierte sie langsam weiter. Der Wochenmarkt von Monterey befand sich am anderen Ende der Stadt, neben der Cannery Road. Es machte ihr nichts aus, dass sie so weit laufen musste. Das gab ihr die nötige Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Obwohl sie sich dagegen sträubte, fühlte sie sich zu Quin hingezogen. Von ihm ging eine Magie aus - eine besitzergreifende Macht und eine unerschrockene Selbstsicherheit. Sie hatte sich nie für ein Mädchen gehalten, das diesen Typ Mann anziehend fand.
Andererseits musste sie sich zerknirscht eingestehen, dass es diese Eigenschaften waren, die sie in der zarten Beziehung mit Randy vermisst hatte. Bei den Gedanken an ihren besten Freund fühlte sie einen Knoten des schlechten Gewissens im Bauch. Trotzdem konnte sie sich nicht von den aufkeimenden Gefühlen für Quin befreien, obwohl seine zynische Art sie mehr verletzte, als sie zugab. Seufzend streckte Faye ihr Gesicht der Sonne entgegen und versuchte gegen ihr Gefühlschaos anzukämpfen so gut sie konnte.
Nachdem sie eine Weile gelaufen war, empfing sie auf dem Obst- und Gemüsemarkt eine lebhafte Atmosphäre und sofort fühlte sie sich ein bisschen lebendiger. Faye verlangsamte ihren Schritt und sah sich überlegend, welche Zutaten sie für das Abendessen benötigte, um. Die lockenden, dröhnenden Stimmen der Markschreier, die ihre Waren anpriesen, hallten durch die offenen Verkaufsstände; die Sonne schien warm vom Himmel, und die salzige Luft vom Meer vermischte sich mit dem Geruch von köstlichem, nach Cranberry und Rosmarin duftendem Lammstew. Ein an der Leine laufender Hund überquerte mit seinem Herrchen die kleine Pierstraße des Marktes und bellte erbost einem vorbeifahrenden Motorradfahrer hinterher. Faye lachte.
Das hier, diese stinknormale Realität hier, machte ihr bewusst, dass Luke und sie, trotz ihrer bedrohenden Siegel noch nicht verloren waren. Energisch wandte sie sich dem geschäftigen Treiben zu und schlenderte auf einen Gemüsestand zu. Während die Verkäuferin ihre Bestellung eintütete, tippte ihr jemand von hinten auf den Rücken. Als sie sich überrascht
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