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Tanz im Dunkel

Tanz im Dunkel

Titel: Tanz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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glatt und unversehrt wäre.
    Nach Karls allerletzten Korrekturen an den bunten Kostümen und den schwarzen Perücken marschierten die sechs Tänzer barfuß über den Teppich des Korridors bis zur Terrassentür. Von dort aus gelangte man direkt in den vom Licht der Fackeln erleuchteten Garten der Jaslows. Rick und Phil kamen ihnen entgegen, beladen mit den Gegenständen, die sie für ihre Jonglier-Nummer gebraucht hatten. “Ist toll gelaufen”, sagte Rick. “Wow, dieser Garten ist groß, oder?”
    “Wahrscheinlich bezeichnet man so etwas als Park, nicht als Garten”, murmelte Thompson.
    Karl wandte sich an Sean. “Sag mal, sieht es hier so ähnlich aus wie dort, wo du aufgewachsen bist?”
    Sean schnaubte. Rue wusste nicht recht, ob es ein verächtliches Schnauben über sein früheres Leben in Wohlstand war oder Sean damit zum Ausdruck brachte, dass er es als Mensch viel besser als die Jaslows gehabt hatte.
    Da Rue kleiner als Julie war, ging sie in der Mitte, als sie drei über die Marmorterrasse liefen und auf den Rasen traten, wo sie ihr Programm tanzen würden. Dann stellten sie sich in Pose, lächelten und warteten, bis die ersten Takte der Trommelmusik erklingen würden. Julie sah mit ihrer schwarzen Perücke wie ein vollkommen anderer Mensch aus. Rue hatte noch einen Moment Zeit, darüber nachzudenken, dass vermutlich nicht einmal Julies eigene Mutter ihre Tochter heute Abend wiedererkennen würde – dann setzte die Musik ein. Das Programm, das sie einstudiert hatten, begann mit einer Art Hula-Tanz, bei dem die drei Frauen sich im Kreis drehten und ihre Hüften kreisen ließen. Diese Bewegung war zwar anstrengend, fühlte sich jedoch richtig gut an. Auch die Handbewegungen waren einfach, und sie hatten sie immer und immer wieder geübt, damit sie synchron waren. Rue fiel auf, dass Megan sich zu schnell drehte und hoffte, dass es im Licht der Fackeln nicht so sehr auffiel. Und dann sah sie aus dem Augenwinkel ein Gesicht, das sie gehofft hatte, ihr Leben lang nie mehr wieder zu sehen.
    All die Jahre, in denen sie gelernt hatte, Haltung zu bewahren und sich nichts anmerken zu lassen, kamen ihr jetzt zugute. Lächelnd tanzte sie weiter und zwang sich, an nichts zu denken. Der einzige Gedanke, den sie sich erlaubte, war der, der ihr vorhin durch den Kopf geschossen war: Sie hatte gedacht, dass nicht einmal Julies Familie sie in diesem Kostüm und mit dieser Perücke erkennen würde. Und das würde auch Rues Familie ganz genauso gehen.
    Vielleicht ging es auch Carver Hutton IV. so.

4. KAPITEL
    Der Rhythmus der Trommeln war schnell und aggressiv. Während Megan, Julie und Rue in ihren Positionen stehen blieben, machten die Männer einen Satz in die Luft, und das Publikum reagierte erwartungsgemäß mit einem beeindruckten “Ooooooh …” darauf, wie hoch die Vampire springen konnten. Danach begannen Sean, Karl und Thompson ihren wilden Tanz um die Frauen. Rue nützte die Gelegenheit, um zu verschnaufen. Ohne den Kopf zu bewegen schielte sie dorthin, wo sie ihn vorhin stehen gesehen hatte. Es war niemand mehr da, der sie an Carver erinnerte. Vielleicht hatte sie sich alles bloß eingebildet. Eine Welle der Erleichterung durchströmte sie wie herrlich kaltes Wasser, das durch eine durstige Kehle rinnt.
    Als Sean zu ihr trat, um sie über seinen Kopf zu heben, lächelte sie ihn strahlend an. Während er sich drehte und dabei mit den Füßen stampfte, hielt sie ihre Pose perfekt, und als er sie fallen ließ und dann wieder auffing, bog sie den Kopf willig zurück – bereit für den Biss. Sie sehnte sich danach, sich besser zu fühlen: Sie wollte, dass die Angst ausgelöscht wurde.
    Er schien ihre Ungeduld zu merken. Bevor seine spitzen Zähne in ihren Hals sanken, spürte Rue, wie er über ihre Haut leckte. Unwillkürlich legte sie ihren Arm fester um ihn. Und als sie kurz darauf den überwältigenden Frieden wieder durch ihr Herz strömen spürte, fragte sie sich, ob sie nicht vielleicht langsam süchtig nach Sean wurde
. Hallo, mein Name ist Rue, und ich bin ein Vampir-Junkie …
Sie wollte keiner von diesen jämmerlichen Fangzahn-Groupies werden, die man “Fangbanger” nannte, weil sie fast alles dafür taten, um von einem Vampir gebissen zu werden.
    Das Publikum applaudierte, als die Tänzerinnen aufstanden und die Tänzer zum Abschluss der Vorstellung die Arme ausbreiteten. Die Leute starrten neugierig auf die zwei winzigen Punkte, die bei jeder der drei Frauen nun am Hals zu sehen waren. Rue trat

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