Tanz im Dunkel
an ihn.
“Layla”, wiederholte er dicht an ihrem Ohr. “Wer war es, der dich so erschreckt hat?”
Es traf sie, als hätte man ihr einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet. Alles in ihr schrak zurück. Sie stieß ihn mit einer heftigen Bewegung weg. “Hast du das getan, um deine Neugier zu befriedigen? Dachtest du, ich würde dir in so einer Situation alle deine Fragen beantworten?”
“Oh, natürlich.” Seine Stimme war kalt vor Empörung. “Das ist meine Verhörtechnik.”
Rue barg das Gesicht in ihren Händen, um einen Moment für sich zu sein.
Halb glaubte sie, was er gerade gesagt hatte. Denn er verhielt sich ja tatsächlich so, als wäre sie die Unvernünftige, als müsste er über alle Details ihres kurzen Lebens Bescheid wissen.
Es klopfte an der Tür.
Sie sahen sich an. Rues Augen waren groß vor Überraschung, Seans Blick war fragend. Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie erwartete niemanden.
Rue ging langsam zur Tür und sah durch den Spion. Sean, der sich so geräuschlos bewegte, wie es nur Vampire tun, blieb unmittelbar hinter ihr, als sie aufsperrte.
Draußen standen Thompson und Hallie. Die beiden hatten Hallies Partner David in die Mitte genommen und stützten ihn. David blutete heftig am rechten Oberschenkel. Seine Kakihosen waren blutdurchtränkt. Die großen Augen des Vampirs waren geöffnet, doch sein Blick flackerte.
Thompson, der anfangs nur Rue angesehen hatte, war sichtlich erstaunt, als er Sean bemerkte, der hinter ihr stand.
“Oh, kommt rein! Bringt ihn rein!”, rief Rue geschockt. “Was ist passiert?” Dann fielen ihr die Nachbarn ein. Gut, dass im Haus offenbar niemand mehr wach war. Rasch schloss sie die Tür, damit es auch so blieb.
Hallie weinte. Durch die Tränen waren ihr Lidschatten und ihre Wimperntusche völlig verschmiert. “Es ist wegen mir passiert”, schluchzte sie. “Thompson und Karl sind in die Bar gekommen. David war schon da und hat mit diesem einen Idioten gestritten …” Während sie versuchte, Rue alles zu schildern, halfen sie David gemeinsam hinüber zu Rues Bett. Thompson war ihnen nicht unbedingt eine Hilfe.
Sean schnappte sich ein Handtuch aus dem Regal im Badezimmer und breitete es über Rues Bett, bevor die beiden Frauen den Verletzten hinsetzten. Hallie kniete sich nieder, nahm Davids Beine und schwang sie aufs Bett. Er stöhnte auf.
“Es war die Bruderschaft”, erklärte Thompson, während Hallie Davids Gürtel lockerte und ihm die blutigen Hosen auszog.
Die Bruderschaft der Sonne war für Vampire das Gleiche wie der Ku-Klux-Klan für Afroamerikaner. Die Bruderschaft behauptete von sich, eine Organisation zu sein, die sich für Bürgerrechte einsetzte. Allerdings ähnelte ihre Struktur mehr der einer Sekte, und ihre Anhänger lehrte sie unumwunden eine Religion der Gewalt.
“Gestern Abend habe ich diesem Typen in der Bar eine Abfuhr erteilt”, erzählte Hallie. “Er war mir einfach nicht geheuer. Dann hat er herausgefunden, dass ich für Black-Moon arbeite und mit David gemeinsam auftrete … du weißt schon, für die Show, und er hat heute Abend auf mich gewartet und …”
“Tief durchatmen.” Rue redete beruhigend auf sie ein. “Sonst hyperventilierst du, Hallie. Hör zu, du gehst dir jetzt erst mal das Gesicht waschen und holst eine Flasche Tru Blood für David, weil er einen Schluck Blut braucht. Er wird schon wieder gesund.”
Schniefend verzog Hallie sich ins Badezimmer.
“Er hat vorgehabt, sich heute Hallie zu nehmen, und Thompson ist dazwischengegangen?”, fragte Sean Thompson mit gesenkter Stimme. Rue hörte mit halbem Ohr zu, während sie versuchte, die Blutung mit einem sauberen Geschirrtuch zu stoppen, das sie auf Davids Wunde presste. Das Tuch verfärbte sich zusehends. Rue war nicht so ruhig, wie sie geklungen hatte. In Wahrheit zitterten ihre Hände heftig.
“David mag sie, und sie ist seine Partnerin”, erklärte Thompson, als bedurfte Davids Verhalten einer Entschuldigung. “Karl war schon weg, und David und ich sind aus der Bar gekommen, als es draußen gerade losging. Der Dreckskerl hatte Hallie im Würgegriff. Doch dann hat er sie losgelassen und ist wahnsinnig schnell auf Dave losgegangen. Mit einem Messer.”
“Draußen auf der Straße? Oder in der Bar?”
“Hinter der Bar, in der Seitengasse.”
“Wo ist die Leiche?”
Rue erstarrte. Ihre Hände rutschten kurz ab, und es begann sofort wieder zu bluten. Sie drückte noch fester auf die Wunde.
“Ich habe den Typen über die
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