Tanz im Feuer
und Leigh fühlte sich unwillkürlich an die offenherzigen Saloonmädchen in altenWesternfilmen erinnert. »Na, wie geht’s denn so?« Die rauchige Stimme bekräftigte diesen Eindruck noch.
»So gut wie immer, Sue. Und was macht Jack?«
»Trinkt und flucht«, antwortete das Mädchen. »Hast du ihn jemals was anderes machen sehen?« Sie lachte kehlig, dann fragte sie ernst: »Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt, Chad? Bei dem großen Fest vor ein paarWochen haben alle nach dir gefragt.«
»Ich war nicht in der Stadt«, antwortete Chad unbestimmt.
»War’s was Großes?« Sue verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und schob fast auffordernd die ausladende Hüfte vor.
Er zuckte kommentarlos mit den Achseln, als wäre ihm dasThema unangenehm. »Das hier ist Leigh Bransom«, lenkte er ab und sah zu Leigh. »Sie hätte gern ein Glas Eistee.«
»Hallo, Leigh.« Sue grinste breit und stellte dabei glänzende Goldzähne zur Schau. »Ein Glas Eistee, geht in Ordnung.« Sie wandte sich wieder Chad zu. »Und was nimmst du?«
»Hast du zufällig ein kaltes Bier auf Lager?«
Spaßhaft schlug sie mit der Speisekarte nach Chad. »Wann hättest du hier jemals kein kaltes Bier bekommen, he?« Sie lachte wieder. »Ich bring die Sachen gleich her, dann nehm ich eure Bestellung auf.« Sie legte die Speisekarten auf denTisch und verschwand.
»Magst du Barbecue?« Chad schlug eine der beiden zerfledderten Karten auf, die schon bessereTage – oder eher bessere Jahre – gesehen hatten.
»Ja«, antwortete sie zögernd unterVorbehalt.
»Aber?«, bohrte er nach.
Sie lächelte. »Aber normalerweise esse ich mittags nicht so viel.« Sie nahm sich die zweite Karte und hielt sie in den Händen, ohne sie aufzuschlagen.
Er schüttelte den Kopf und schaute sie missbilligend an. »Hast du dich auch so schlecht ernährt, als du Sarah gestillt hast?« Er klappte seine Karte zu und legte sie auf denTisch zurück.
Unverwandt sahen seine Augen sie an. Leigh fühlte sich, als hätte er einen Zauberstab an ihrem Körper entlanggeführt, der ihr das Blut durch die Adern schießen ließ. Hitze breitete sich in ihr aus. Sie ging von ihrem Unterleib aus und drang bis in die Zehen- und Fingerspitzen vor. Leigh war klar, dass sie knallrot im Gesicht war.Verlegen senkte sie den Blick auf Chads Hände, die gefaltet zwischen Papierservietten und Besteck auf demTisch ruhten. Es waren schöne Hände, stark, schlank und mit feinen braunen Härchen bewachsen. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie einfühlsam, wie sanft und zärtlich diese Hände sein konnten. Sie hatten SarahsWange gestreichelt, als das Neugeborene noch über und über mit Schleim bedeckt gewesen war. Er hatte zugesehen, wie Leigh ihre Brust entblößt und Sarah an sie gelegt hatte. Er hatte ihrem Baby über das Gesicht gestreichelt, während es an Leighs Brust gesaugt hatte.
Obwohl sie sich erst zweimal zuvor begegnet waren, kannte er ihren Körper so gut wie nur wenige andere Menschen auf dieserWelt. Eigentlich gab es keinen Grund mehr für sie, sich vor ihm zu schämen.Trotzdem machte es sie verlegen, dass er so mit ihr sprach.Vor allem seit dem Kuss am vorherigen Abend. Seitdem war nichts mehr, wie es davor gewesen war. Gut, er hatte sie schon einmal geküsst, kurz nach der Geburt im Krankenhaus, aber irgendwie zählte das nicht. Der Kuss damals war eine freundschaftliche Geste gewesen; als hätte er ihr dazu gratuliert, dass sie so gute Arbeit geleistet hatte. Doch dieser zweite Kuss war völlig anders gewesen. Mit seiner Zunge hatte er Gefühle in Leigh ausgelöst, von denen sie bislang nichts geahnt hatte. Er hatte ein Feuer in ihr entfacht, das sie nicht mehr löschen konnte. Irgendwie hatte seitdem alles, was er sagte, einen anzüglichen Beiklang. Aber bestimmt nur für sie.Wahrscheinlich fand er …
»Leigh?« Seine leise, tiefe Stimme holte sie in die Gegenwart zurück.
Sie riss den Kopf hoch, sah ihm ins Gesicht und begriff, dass er in ihr gelesen hatte wie in einem offenen Buch. Seine unvergleichlichen Saphiraugen bohrten sich wie Lanzen in ihre, durchbrachen alle Schranken, die sie zu errichten versuchte, und offenbarten ihm ihre geheimsten Gedanken. DieVorstellung war ihr ebenso unangenehm wie schmeichelhaft. Sie schaute ihn fragend an.
»Ja, ich erinnere mich noch ganz genau daran«, sagte er so leise, dass allein sie ihn hören konnte. »Ich weiß noch genau, wie du ausgesehen hast, wie unglaublich liebevoll und mütterlich du warst. Ich kann
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