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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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hinter dem Haus gegangen, hatte das hohe Gras zu einem Nest zusammengepresst, sich hineingelegt und zum Himmel emporgeblickt. Wenn sie sich recht erinnerte, war es um die Zeit noch nicht ganz dunkel, letzte Sonnenstrahlen brachten alles zum Schimmern. Die Sterne erschienen am Firmament, einer nach dem anderen, die hellsten zuerst, durch ein silbernes Netz miteinander verwoben.
    Chloe pflegte sie beim Namen zu nennen: »Mommy. Daddy. Grandma. Onkel Dylan. Tante Amanda. Isabel.« Jeder Stern war ein Kapitel für sich, und gemeinsam erzählten sie die Geschichte ihrer Familie. Manchmal stellte sie sich ihre Angehörigen wie goldene Äpfel vor, die an den ausladenden Ästen eines Baumes hingen. Eines Familienstammbaums, hoch oben am Himmelszelt. Immer gab es zwei Sterne, die sich ein wenig abseits befanden: »Chloe« und ihre leibliche Mutter. Sie blinzelte den beiden zu, versuchte, das Gesicht ihrer Mutter zu erkennen.
    Inzwischen war sie fünfzehn und zu alt, um die Sterne zu betrachten. Sie stand reglos da, bis die Katzen ihre Mahlzeit beendet hatten. Der Wind wehte von der Plantage herüber, brachte den Duft von Apfelblüten und Zigarettenrauch mit sich. Es stimmte sie traurig, dass Onkel Dylan wieder mit dem Rauchen angefangen hatte.
    »Eine sternenlose Nacht«, sagte sie laut – aus keinem besonderen Grund, außer, dass er diese Worte auf dem Heimweg benutzt hatte. Was hatte er damit gemeint? Chloe konnte nicht widerstehen: Sie blickte zum Himmel empor.
    Und da waren sie, ein wenig abseits, die beiden einsamen Sterne, die sie früher so häufig betrachtet hatte. Chloe und ihre Mutter. Oder Onkel Dylan und Isabel. Eltern und Kinder, die nicht zusammen sein konnten. Warum sie getrennt waren, spielte eigentlich keine Rolle. Es war nur eine Geschichte, die sie sich selbst zu erzählen pflegte. Sterne waren eine Sache, die Wirklichkeit stand auf einem anderen Blatt. Sie hatte Stunden damit verbracht, im Internet Nachforschungen anzustellen. Dann war sie mit dem Bus nach Providence gefahren, zur Adoptionsregistratur und Kontaktstelle – wo sie nur erfahren hatte, dass man volljährig sein musste, um Auskunft zu erhalten; aber sie war noch nicht einundzwanzig.
    Was im Augenblick zählte, waren die Katzen und die Suche nach einem neuen Job, damit sie ihnen anständiges Futter kaufen konnte. Was zählte, war das wirkliche Leben, nicht die Legenden und Geschichten von den Sternen. In der Ferne hörte sie das Röhren einer Geländemaschine. Manchmal kurvten Halbwüchsige aus der Highschool mit ihren Motorrädern auf der Plantage herum. Onkel Dylan war deswegen wütend, und den wildlebenden Tieren machte es Angst. In der kühlen Nachtluft zitternd, lauschte Chloe, bis das Dröhnen der Motoren verklang. Dann wünschte sie den Katzen eine gute Nacht und lief ins Haus zurück.

Kapitel 5
    D ie Mädchen badeten ihre Mutter oben, in der alten Badewanne mit den Klauenfüßen. Klares graues Licht strömte durch die Fenster, unfreundlich und hell. Margaret hatte sich zusammengekauert, es war ihr peinlich, dass ihre Töchter sie in die Wanne heben, abseifen und ihr die Haare waschen mussten. Sylvie hatte alles in Griffweite parat: Seife, Shampoo und Waschlappen lagen bereit. Sie spulte die Prozedur so präzise wie ein Chirurg herunter, streckte die Hand aus und forderte von Jane im Befehlston: »Haarkur! Ausspülen!«
    »Kinder, ich friere ein wenig.« Margaret schlang die Arme um ihre Knie. »Könntet ihr noch ein bisschen heißes Wasser einlaufen lassen?«
    Wortlos drehte Sylvie die Hähne auf. Ihr Blick war verkniffen, die Lippen zusammengepresst. Sie beugte sich vor, nahm die Tube mit dem Schaumbad und drückte einen Klecks in das einlaufende Wasser.
    »Jane …«, flüsterte Sylvie.
    »Oh, das ist hübsch, Kind«, sagte Margaret, als sich Schaum bildete. Sie tippte an die Schaumblasen, fing sie in der Wölbung ihrer hohlen Hände. Sie hob sie zum Fenster empor und betrachtete verzückt die schillernden Farben; dann blickte sie ihre Töchter an, um sicherzugehen, dass beide es sahen.
    »Schön, Mom«, sagte Jane.
    »Lass mich deine Füße sehen«, verlangte Sylvie streng und beugte sich hinab, um sie auf Entzündungen zu überprüfen.
    Margaret wäre gerne noch eine Weile im warmen Wasser geblieben, bis sich die Blasen in Luft auflösten, aber Sylvie befand, dass sie ins Bett zurückmüsse. Die beiden Schwestern halfen ihr aus der Wanne, und Sylvie trocknete sie mit einem großen weißen Handtuch ab. Jane stand mit dem

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