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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Tenorsaxophon etwas zu, wie eine wahnsinnige Meditation von Coltrane. Die Schreie versuchten, seine Bewußtlosigkeit zu zerspalten.
    Wieder schrie es. Es schrillte und heulte, und Winter wachte auf und hörte das Handy auf dem Fußboden läuten, wo es mit dem Kabel in der Steckdose zum Aufladen lag. Das Zimmer lag im Dunkeln. Es war noch Nacht.
    Er wälzte sich auf den Boden, griff zum Telefon und drückte auf den Antwortknopf.
    »Winter.«
    »Steve hier. In zehn Minuten ist ein Wagen bei dir.«
    Winter schob sich über den Boden und griff nach der Armbanduhr auf dem Tisch neben dem Bett. Sie zeigte drei.
    »Es ist passiert«, sagte Macdonald. »Nein.«
    »Zieh dir schnell was über und geh auf die Straße, dann kommt einer von meinen Wagen.«
    »Wo?«
    »Camberwell, zwischen Peckham und Brixton.«
    »Ein Hotel?« »Ja.«
    »Schwede?« fragte Winter. »Ja.«
    »Du lieber Gott.« »Zieh dich jetzt an.« »Wann?«
    »Heute nacht, aber jetzt spute dich, verdammt, Erik.«
    Das Zimmer war voller Menschen, als Winter ins New Dome Hotel kam. Alles war entsetzlich bekannt.
    »Ich konnte nicht warten«, sagte Macdonald.
    Winter antwortete nicht. Macdonald war blaß.
    Die Arbeit im Zimmer ging weiter. Das Blut klebte an allen Flächen. Im Schein der starken Lampen glänzten die Plastikbeutel der Polizei in obszönen Schattierungen.
    »Wir wissen noch nicht, ob es Hitchcock ist«, sagte Macdonald.
    »Nein.«
    »Es ist gestern spät abends passiert. Hier habe ich den Namen des Jungen«, sagte Macdonald und hielt einen Zettel hin. Winter las den Namen.
    Der Junge war weggetragen worden. Winter sah Spuren auf dem Boden, Schuhe in Bewegung, ein Muster von der Tür zum Hocker mitten im Zimmer.
    Das Bett sah unberührt aus. Ein kleiner Stapel CDs lag darauf. Ein heruntergezogenes Rollo sperrte die Nacht aus. Stimmengewirr in leiser Professionalität. Kamerablitze.
    Überall Plastikbeutel, mit Ziffern und Buchstabenkombinationen gekennzeichnet und gefüllt mit Haaren, Zähnen, blutiger Haut, Menschenfleisch und
    Körperabsonderungen.
    Wir sind in der Hölle, dachte Winter.
    Die Hölle auf Erden ist hier, in diesem Zimmer.
    Er bewegte den Kopf hin und her. Die Leere war nun von seinem Blut gefüllt. Es wogte unter dem Stirnbein, klopfte in den Gehörgängen.
    Macdonald berichtete, was er bereits wußte.
    Es war eine kritische Stunde, ein kritischer Zustand für alle.
    »Er wurde unterbrochen«, sagte Macdonald. »Was?«
    »Ein Junge ist an der Tür vorbeigegangen und hat was gehört. Er hat gegen die Tür gehämmert und nicht mehr aufgehört.«
    »Was?«
    »Er sitzt unten in einem Zimmer hinter der Rezeption. Es ist der Sohn des Besitzers, und er ist geistig behindert und außerdem furchtbar geschockt. Er sitzt bei seinem Vater. Ich habe versucht, mit dem Jungen zu sprechen, aber wir mußten aufhören, und jetzt will ich noch einen Versuch machen.«
    »Das ist verdammt eilig, Steve.«
    »Ich habe gesagt, ich versuche es noch einmal. Ein Arzt ist unten auch dabei.«
    Sie gingen in den Vorraum hinaus. Es roch nach Erbrochenem. Winter war der Gestank vorher nicht aufgefallen.
    »Unsere Constables«, erklärte Macdonald, »das passiert ständig.«
    »Es ist eine menschliche Reaktion«, sagte Winter. »Wir haben zehntausend Mann, die jetzt im ganzen
    Viertel an Türen klopfen.«
    Vater und Sohn saßen wie festgeschraubt auf ihren Stühlen. Der Mann hielt seinen Sohn an der Hand. Der Sohn war ein Mann um die Dreißig, konnte aber auch jünger sein, dachte Winter, Die Krankheit vergröberte seine Gesichtszüge. Die Augen bewegten sich ohne Halt. Er wollte aufstehen, aber der Vater hielt seine Hand so fest, daß er sitzen blieb.
    »Ich will geeehn«, sagte er mit einer Stimme, die von Steinen beschwert schien.
    »Bald, James«, beruhigte ihn der Vater.
    »Geeehn«, wiederholte der Sohn.
    »Er macht die Runde durchs Hotel«, sagte der Vater, »das ist das einzige, was er tut.«
    Macdonald nickte und stellte Winter vor. Sie setzten sich auf zwei Stühle, die ein uniformierter Polizist aus der Halle geholt hatte.
    »Berichten Sie noch einmal, was passiert ist«, forderte Macdonald den Vater auf.
    »James ist heruntergekommen und hat geschrien und mit den Füßen auf den Boden gestampft. Er hat an mir gezerrt, und nach einer Weile bin ich mit ihm nach oben gegangen.«
    »Es war sonst niemand auf der Treppe?«
    »Nein.«
    »Keine Tür, die geöffnet wurde?« »Da nicht.« »Und dann?« »Bitte?«
    »Was ist dann passiert?«
    »Dann waren wir oben,

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