Tanz mit dem Teufel
befreundet war. Lewis ist ein guter Mensch, er war auch mein Freund, darum hab ich ihn um Geld gebeten. Er war der Einzige, den ich fragen konnte. Ich wusste, er würde mir helfen. Und das tat er auch. Ich danke es ihm jeden Tag in meinen Gebeten. So großzügig wären nicht viele gewesen.«
»Und wo sind Sie dann hin?«
»Erst mal zurück nach Bowling Green, aber nicht lange. Nur ein paar Wochen. Eigentlich wollte ich mich bei meinen Eltern verkriechen. Ich hoffte, sie würden mich mit offenen Armen wieder aufnehmen. Doch es hatte sich nichts verändert, sie konnten keine Gefühle für mich aufbringen. Dann lud mich eine Bekannte zu sich nach Portland ein. Ich bin zu ihr gezogen. Sie war sehr lieb zu mir. Mir ist klar, dass wir uns gegen die Heilige Schrift versündigt haben, aber ich war ganz allein auf der Welt, und ich konnte keinen Mann mehr ansehen oder auch nur an einen Mann denken, ohne dass mir schlecht wurde. Tja, und dann kam das Kind.«
»Jerrys Kind.«
»Ja. Es gab keinen Mann mehr nach Jerry. Es hat nie wieder einen gegeben.«
»Was hat Sie dazu bewogen, es überhaupt zu bekommen?«
»Die Stimme Gottes, Mr. Spandau.«
Sie lachte, als sie seine Miene sah.
»Sie sind kein Christ, Mr. Spandau?«
»In letzter Zeit kann ich gar nicht mehr sagen, was ich eigentlich bin.«
»Ich dachte daran, es wegmachen zu lassen. Sally wollte mich dazu überreden, sie begriff gar nicht, wie ich da zögern konnte; sie meinte, ich würde mir das ganze Leben kaputt machen, und das Kind würde mich immer nur an jene schreckliche Nacht erinnern.
Mal sehen, ob ich es erklären kann. Eine Abtreibung kam mir einfach falsch vor. Ich wollte das Kind, auch wenn ich nicht wusste, wie es danach weitergehen sollte. Darüber habe ich mir erst mal gar keine Gedanken gemacht. Ich hatte angefangen, in der Heiligen Schrift zu lesen, zu Gott zurückzufinden. Dabei wurde mir immer klarer, er wollte, dass ich das Kind bekam, und er wusste, was er tat.
Die arme Sally war geschockt, sie fand es grauenvoll, sie wollte nichts damit zu tun haben, das Kind eines Vergewaltigers großzuziehen. Ich nehm’s ihr nicht übel. Sie hatte ihre eigenen Probleme, und sie hatte noch nicht zu Gott gefunden. Sie war immer gut zu mir gewesen, doch ich konnte ihr nicht begreiflich machen, dass ich mir sicher war, das Richtige zu tun.
Wir lebten von dem, was sie als Kellnerin verdient hat, und ich versuchte, so lange wie möglich mit dem Geld von Lewis auszukommen, aber ich hatte keine Krankenversicherung. Ich ging nicht zur Vorsorge, machte keine Tests, die vielleicht gezeigt hätten, dass mit dem Baby etwas nicht in Ordnung war.
Als Mikey geboren wurde, ahnte ich gleich, dass irgendwas nicht stimmte. Es dauerte so lange, bis sie ihn mir brachten. Sally war dabei, als sie es mir dann gesagt haben. Erst hab ich es gar nicht richtig verstanden, ich dachte, mich würde ein grauenvoller Anblick erwarten, aber als sie mir meinen Sohn in den Arm legten, sah ich, dass er ein Engel war. Und ich wusste, warum ich dieses Kind bekommen hatte.
Für Sally war es anders, sie war damit endgültig überfordert, und deshalb brauchte ich für Mikey und mich ein neues Zuhause. Ich hatte keine andere Wahl, als mich an Jerry zu wenden.«
»Wie hat er reagiert?«
»Ganz ruhig. Sehr ernst. Ich hab ihm das mit Mikey erklärt. Er wollte wissen, wie es mir ging, was ich nun vorhätte. Ich hab ihm gesagt, dass ich Geld brauche, und er hat mir sofort welches geschickt. Ein paar Tage später rief dann Michael an. Jerry habe ihn gebeten, mir zu helfen. Er versprach mir, dass alles gut werden würde. Und so war es dann ja auch.«
»Hat Jerry mal versucht, sich mit Ihnen zu treffen?«
»Ja.«
»Sie wollten nicht?«
»Ich habe ihn seit jener Nacht in Kalifornien nicht wiedergesehen, und seit dem Anruf habe ich auch nicht mehr mit ihm gesprochen. Er hat Mikey nie kennengelernt, und so soll es auch bleiben. Unser einziger Kontakt zu ihm läuft über Michael.
Ich habe es nicht nötig, ihn zu erpressen. Wir führen ein genügsames Leben, mein Geschäft floriert, und um alles andere kümmert sich der liebe Gott. Jerry hat immer dafür gesorgt, dass es uns an nichts fehlt, und wenn wir doch mal einen Engpass hatten, ließ er uns zukommen, was wir brauchten. Zwingen musste ich ihn nie dazu.
Auch Rache ist für mich kein Thema mehr. Dafür sind mir meine Zeit und Energie zu kostbar. Ich bemühe mich, ihn nicht zu hassen, Mr. Spandau, und ich arbeite täglich daran, ihm zu verzeihen.
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