Tanz, Pueppchen, Tanz
ist.
Plötzlich dreht sich das Mädchen neben ihr zu Amanda um. »Ich bin so aufgeregt«, verkündet sie, als wäre Amanda eine lange verschollene gute Freundin. »Ich habe meinen Freund seit einem halben Jahr nicht gesehen. Wir gehen auf verschiedene Colleges, und das ist das erste Mal, dass wir gleichzeitig in der Stadt sind. Sehe ich okay aus?« Sie streicht ihre Haare glatt und sieht Amanda mit grimmig mahlendem Kiefer erwartungsvoll an.
»Vielleicht solltest du das Kaugummi ausspucken«, schlägt die vor.
Sofort spuckt das Mädchen den pinkfarbenen Knubbel in ihre Hand. »Den habe ich ganz vergessen.« Sie kichert.
»Igitt. Es ist schon ganz fade.« Sie wirft ihn in eine Kotztüte. »Besser?«
»Viel.«
»Danke. Ich bin so nervös, ich glaube, ich muss mal.«
»Soweit ich weiß, soll man während des Landeanflugs auf seinem Platz sitzen bleiben.« Amanda weist auf das erleuchtete Fasten Your Seatbelts- Zeichenüber ihren Köpfen.
»Treffer«, sagt das Mädchen und sinkt auf ihren Sitz zurück.
Amanda denkt unwillkürlich an ihre Mutter.
Nach der Landung holt Jerrod Sugar Amandas Reisetasche aus dem Gepäckfach und hilft ihr in den Mantel, wobei seine Hände einen Tick länger als nötig auf ihren Schultern verharren.
»Ich bin bis Dienstag im Metro Convention Center«, erklärt er ihr. »Warum rufen Sie mich nicht mal an, wenn Sie Zeit haben.«
7
Der Weg vom Flugzeug zum kanadischen Zoll ist endlos. Amanda bewegt sich langsam den langen Flur hinunter, der Riemen der unförmigen schwarzen Reisetasche zerrt an ihrer rechten Schulter. Sie hätte sich einen dieser praktischen Rollkoffer kaufen sollen, die alle anderen hinter sich herziehen. Aber wozu? Räder bedeuten Geschwindigkeit, was wiederum bedeutet, dass man sein Ziel schneller erreicht, während sie eigentlich am liebsten gar nicht ankommen würde.
Sie betritt eine lange Rolltreppe und beginnt einen weiteren Abstieg. Unten angekommen schließt sie sich einer von einem Dutzend langer Schlangen an, in denen Hunderte von Menschen vor dem kanadischen Zoll warten. Sie hört, wie eine Frau sich beklagt, dass zwei Jumbos gleichzeitig gelandet sind, weshalb es wahrscheinlich eine Stunde dauern würde, bis sie den Anfang der Schlange erreicht haben. Amanda zuckt die Achseln und ist wahrscheinlich die einzige Person in der überfüllten Halle, die diese unangenehme Nachricht willkommen heißt. Sie sieht sich nach Jerrod Sugar um, der etliche Reihen entfernt mit einer attraktiven Frau plaudert, die eher in seinem Alter ist. Doch als sie ihn kurz darauf wieder sieht, spricht er angeregt in sein Handy. Bei ein paar winzigen Schritten vorwärts wird Amanda klar, dass Jerrod Sugar eines dieser Gesichter hat, die einem immer bekannt vorkommen. Außerdem fällt ihr auf, dass sie, obwohl sie fast den ganzen Nachmittag neben dem Mann gesessen und zwischenzeitlich aktiv mit ihm geflirtet hat, im Grunde keine Ahnung hat, wie er aussieht, und dass sie ihn wahrscheinlich nicht wiedererkennen würde, sollte sie seine Einladung annehmen und ihn anrufen.
Trotz der Menschenmassen und den strengen Einreisebestimmungen geht die Abfertigung relativ flott vonstatten, sodass sich Amanda nach einer halben Stunde fast am Anfang der Schlange wieder findet. »Anlass Ihres Besuches?«, hört sie den Zollbeamten das Pärchen vor ihr anblaffen.
»Geschäftlich«, sagt der Mann.
»Privat«, sagt seine Frau.
Was denn nun, will Amanda fragen und betrachtet das Einreiseformular in ihrer Hand. Sie lacht beinahe laut auf, als sie sieht, dass sie Privat angekreuzt hat. Es müsste ein Kästchen für Pflicht oder Schuldgefühle geben. Oder wie wär’s mit einem für Mutter ist eine Mörderin?
»Miss?«, sagt eine Stimme neben ihr.
Irgendjemand tippt ihr auf die Schulter. »Sie sind dran«, sagt der Mann hinter ihr und weist auf den Schalter.
Amanda nickt, und als sie dem wartenden Beamten ihr Formular und den Pass gibt, rast ihr Herz, als wäre sie eine illegale Einwanderin, die versucht, sich ins Land zu schmuggeln.
»Woher kommen Sie?«, fragt er, obwohl er alle Informationen vorliegen hat.
»Florida.« Sie fragt sich, ob die Daten, die er auf seinem Computer aufruft, etwas anderes sagen, dass sie nämlich direkt hier in Toronto geboren ist und man ihr, weil sie diese Wahrheit verschwiegen hat, Handschellen anlegen und sie in das nächste Flugzeug zurück in die Staaten setzen würde.
»Und was führt Sie um diese Jahreszeit nach Toronto?«, fragt der Mann freundlich.
Amanda
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