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Tanz, Pueppchen, Tanz

Tanz, Pueppchen, Tanz

Titel: Tanz, Pueppchen, Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
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entkommen konnte und entkommen bin, auch wenn er es jetzt irgendwie geschafft hat, mich wieder darin zu verwickeln. Und deswegen bin ich auch so durcheinander und fühle mich verloren. Es hat nichts mit ihm zu tun. Rein gar nichts.
    Aber musste er am Flughafen auftauchen und so verdammt Ritter-in-schimmernder-Rüstung-mäßig aussehen? Musste er so verdammt gut aussehen?
    Amanda spürt, wie ihr Tränen in die Augen steigen, und richtet sich abrupt auf, wieder schwappt eine Welle über den Wannenrand. Sie reißt die Papierverpackung der kleinen Seife auf und beginnt grimmig, Arme und Beine abzurubbeln. Sie streicht mit der süß duftenden Seife sanft über ihre Brüste und ihren Bauch und versucht die Tränen zu ignorieren, die über ihre Wangen rollen, indem sie so tut, als wären es bloß verspritzte Wassertropfen. Sie wischt sie ab, und die Seife brennt in ihren Augen. Gut, denkt sie, ein echter Grund zum Heulen.
    Sie drückt sich einen Waschlappen auf ihre geschlossenen Lider, bis sie kleine graue Kästchen wie in einem Kreuzworträtsel vor sich sieht. Und dann explodiert das Kreuzworträtsel in einer Reihe von Bildern: Ben, der ihr aus dem Club folgt, aus dem man sie hinausgeworfen hatte, weil der Barkeeper ihr ihren gefälschten Schülerausweis nicht abkaufte, und wie er sie, bevor er ihr auch nur seinen Namen genannt hatte, auf den Mund geküsst hatte; sein Haar, das ihm in die Augen fiel, als er mit heftigen Stößen in sie eindrang, während sein ganzer Körper vor Schweiß glänzte; Ben, der nackt neben ihr lag und schlief, und sein durchtriebenes Lächeln, als er aufwachte und wieder die Hand nach ihr ausstreckte.
    Sie passten so gut zusammen.
    Bevor er anfing, Sex mit Liebe zu verwechseln.
    »Nein!«, ruft Amanda laut und schüttelt den Kopf, sodass Tropfen aus ihren Haaren spritzen wie vom Fell eines nassen Hundes. »Ich will das nicht.«
    Nur dass ich genau das Gleiche getan habe, denkt sie, als sie sich in ein dickes weißes Handtuch wickelt und aus der Wanne steigt. Sie hat Sex statt Liebe benutzt – als Waffe, als Allheilmittel oder um Distanz zu wahren und Kontrolle zu behalten. Sie lacht. Intimität als Ersatz für Intimität. Hatte Sean ihr nicht genau das vorgeworfen?
    Amanda zieht den dicken Frotteebademantel über, den das Hotel bereitgelegt hat, und rubbelt sich auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer mit dem Handtuch die Haare ab. Draußen schneit es weiter, drinnen flitzen stämmige junge Männer über den Bildschirm. Ein Ansager ruft »Unerlaubter Weitschuss!« – was immer das bedeutet. Obwohl sie erst vor einer Minute aus dem noch dampfenden Wasser gestiegen ist, fröstelt Amanda schon wieder. Sie blickt auf die Uhr neben dem Bett. Noch fast eine halbe Stunde, bis das Essen gebracht wird. Zögernd nimmt sie den Umschlag vom Schreibtisch mit ans Bett, wo sie den geblümten Überwurf zurückschlägt und die Füße unter die frische weiße Decke schiebt. »Ich kann es genauso gut hinter mich bringen.«
    Sie reißt den Umschlag auf, bevor sie merkt, dass er gar nicht zugeklebt ist, und zieht eine Reihe von Zeitungsartikeln heraus. FRAU ERSCHIESST MANN IN VOLLER HOTELHALLE, schreit eine Schlagzeile heraus. MORD IM FOUR SEASONS HOTEL, verkündet eine andere, während eine dritte berichtet: FRAU TÖTET TOURISTEN.
    »Na super.« Amanda starrt intensiv auf das körnige Schwarzweißfoto des Mannes, den man als John Mallins identifiziert hat, und findet Bens Beschreibung bestätigt: ein Mann mittleren Alters mit einem Schnurrbart. In jeder Beziehung unauffällig bis auf eine – er ist von der Frau auf dem Foto neben seinem erschossen worden.
    Amanda schiebt es so lange wie möglich hinaus, das Foto ihrer Mutter zu betrachten, und konzentriert sich stattdessen zunächst auf den Text darunter. Gwen Price (61), steht dort, wird von zwei Polizisten aus der Lobby des Four Seasons Hotels abgeführt, nachdem sie aus nächster Nähe einen Gast erschossen hat, der in Toronto Urlaub machte.
    Amanda hält die Luft an, als sie den Blick zu dem Foto wandern lässt, auf dem ihre Mutter in Handschellen abgeführt wird. Wer ist diese Person, fragt sie sich und versucht das Bild der zarten, blonden Frau mit der wütenden Furie oder dem Roboter mit dem glasigen Blick in Einklang zu bringen, an den sie sich aus ihrer Kindheit erinnert. Ein anderes Foto wirkt vertrauter. Es ist eine Nahaufnahme ihrer Mutter auf der Rückbank des Polizeiwagens. Sie starrt leeren Blickes beinahe gleichgültig aus dem Fenster, den Kiefer

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