Tanz, Pueppchen, Tanz
angefangen, uns alle paar Wochen zu verabreden, und dann einmal pro Woche, und nach dem Kino trinken wir manchmal noch einen Tee.«
»Und dabei haben Sie John Mallins gesehen?«, fragt Ben, um wieder zum Thema zu kommen.
»Ja. Wir waren eigentlich gerade im Aufbruch, als sie durch die Drehtür kamen. Sie lachten, hielten Händchen und gingen zu den Fahrstühlen. Ich wandte mich Gwen zu und sagte etwas wie: ›Ist das nicht eine reizende Familie?‹ Aber Gwen sah aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Sie zitterte so heftig am ganzen Leib, dass ich dachte, sie hätte vielleicht einen Anfall. Ich habe dafür gesorgt, dass sie sich setzt, und sie gefragt, ob ich einen Krankenwagen rufen sollte, aber sie hat darauf bestanden, dass alles in Ordnung sei, obwohl man sehen konnte, dass sie nicht sie selbst war. Nach ein paar Minuten sind wir dann gegangen.«
»Das war alles?«, fragt Ben. »Sie hat Ihnen gegenüber nichts über John Mallins gesagt?«
»Sie hat ihn nie erwähnt. Erst als ich in der Zeitung davon gelesen und Gwens Gesicht neben dem dieses Mannes gesehen habe, habe ich eins und eins zusammengezählt.«
»Und Sie sind sicher, dass der Mann, den Sie an jenem Nachmittag gesehen haben, John Mallins war?«, fragt Amanda.
»Das hat mich die Polizei auch gefragt. Ich bin mir absolut sicher. Ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Es war auf jeden Fall derselbe Mann.«
»Denken Sie scharf nach, Mrs. Nash. Hat meine Mutter John Mallins je vorher erwähnt?«
»Nie. Ich kann es immer noch nicht glauben.«
»Was?«
»Dass sie einen Mann erschossen hat. Wie ich bereits der Polizei erklärt habe, ist Ihre Mutter der gütigste und sanfteste Mensch, den ich je getroffen habe.«
Amanda spürt, wie ihr der Kaffeebecher entgleitet. Bevor sie es verhindern kann, fällt er ihr aus der Hand und ergießt seinen Inhalt auf dem Teppich mit dem Blumenmuster. Genau wie John Mallins’ Blut, denkt Amanda, während sie zusieht, wie der Fleck sich nach ihren Zehen ausstreckt.
13
»Hat sie wirklich gesagt, dass meine Mutter der gütigste und sanfteste Mensch ist, den sie je getroffen hat?«, flüstert Amanda, als Corinne in die Küche geeilt ist, um Küchentücher zu holen.
»Das hat sie gesagt.«
Amanda schüttelt ungläubig den Kopf. »Mit wem hängst sie sonst rum? Hitler?« Sie lässt sich zurück ins Sofa sinken, wo sie in dem schrillen Dickicht aus grünen und rosafarbenen Stoffmusterblumen und -reben beinahe verschwindet.
»Nimm einen Keks«, schlägt Ben vor. »Die sind wirklich ziemlich lecker.«
Amanda greift sich einen Keks von dem schwarzen Emailletablett und schluckt ihn beinahe ganz hinunter, als Corinne Nash mit einer Hand voll Küchentücher zurück ins Zimmer gehastet kommt, vor dem Fleck auf die Knie fällt und ihn abzutupfen beginnt.
»Oh nein«, sagt Amanda und hockt sich zu der älteren Frau auf den Boden. »Bitte lassen Sie mich das machen.«
»Unsinn. Schon erledigt.« Stolz präsentiert Corinne das feuchte Küchentuch. »Nehmen Sie noch einen Keks«, weist sie Amanda an. »Ich hole neuen Kaffee.«
»Nein, vielen Dank«, protestiert Amanda. »Wirklich. Ich habe Ihnen schon genug Umstände bereitet.«
»Ich wette, Sie haben den ganzen Tag noch nichts gegessen, oder?« Corinne Nash schüttelt den Kopf. »Genau wie die Mutter.«
Amandas Lächeln ist so gepresst, dass ihre Wangen sich anfühlen, als könnten sie reißen. Als sie spricht, rollen die Worte unartikuliert, eher wie ein Gurgeln aus ihrer Kehle.
»Ich versichere Ihnen, ich bin ganz und gar nicht wie meine Mutter.«
»Ach wirklich? Ich erkenne alle möglichen Ähnlichkeiten«, stellt Corinne Nash lächelnd fest.
»Ich denke, wir sollten jetzt vielleicht besser aufbrechen«, geht Ben rasch dazwischen und führt Amanda zur Haustür, wobei er den Arm auch fest um ihre Hüfte gelegt hält, als sie in ihre Stiefel steigt und ihren Mantel überwirft.
»Warte«, sagt Amanda, als sie die Treppe vorm Haus hinuntergehen. »Mir ist gerade etwas eingefallen.« Auf der vorletzten Stufe bleibt sie stehen, atmet die Luft des späten Nachmittags tief ein und wendet sich noch einmal Corinne Nash zu. »Sie haben nicht zufällig einen Schlüssel zum Haus meiner Mutter, oder?«, fragt sie mit einer tieferen Stimme als normal, um nicht wie ihre Mutter zu klingen.
»Doch, den habe ich«, antwortet Corinne mit beinahe hörbarem Stolz. »Wir haben vor einigen Monaten Schlüssel ausgetauscht. Wir dachten, es sei eine gute Idee, für den Notfall,
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