Tanz um Mitternacht
sie ihn gebeten, seine Arbeit für eine Weile zu unterbrechen und den Lunch mit ihr einzunehmen. Das hatte er abgelehnt.
Wehmütig sagte sie sich, darüber dürfte sie sich nicht ärgern. Nach der Ankunft in Beldon Hall hatte sie festgestellt, wie beschäftigt ein Duke war. Er musste seine Ländereien verwalten, für die Menschen sorgen, deren Lebensunterhalt von ihm abhing. Und Rand nahm seine Pflichten sehr ernst.
Aber neuerdings fürchtete Cait, nicht nur sein Verantwortungsgefühl würde ihn von ihr fern halten.
Allmählich glaubte sie, er würde ihr absichtlich aus dem Weg gehen. Er kam nicht mehr in ihr Bett, obwohl der Arzt versichert hatte, das Eheleben würde dem Baby nicht scha-den. Und abends saß er meistens in seinem Arbeitszimmer, statt mit ihr Karten oder Schach zu spielen, so wie früher.
Warum er sich so seltsam verhielt, wusste sie nicht. Schließlich fürchtete sie, ihr unförmiger Körper würde ihn abstoßen. Das sprach er natürlich nicht aus. Im Gegenteil, immer wieder versicherte er, sie würde bezaubernd aussehen - was sie ihm nicht glaubte.
Jetzt beobachtete sie ihn durch das Fenster und sah ihn zum Stall gehen. Der Herbsttag war klar und mild. Am Himmel zogen nur wenige Wolken dahin. Eine sanfte Brise bewegte die Zweige. Wahrscheinlich würde Rand ausreiten und einige Pächter besuchen. Wie gern würde sie ihn begleiten... Leider durfte sie in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft nicht mehr auf ein Pferd steigen.
Aber sie harrte schon viel zu lange in diesen vier Wänden aus. Ein Spaziergang würde ihr sicher gut tun. Kurz entschlossen holte sie einen Kaschmirschal aus ihrem Schlafzimmer, verließ das Haus und folgte dem schmalen, gewundenen Bach, der hügelige Felder trennte.
Der Wind wehte etwas stärker, als sie erwartet hatte, und zerzauste ihr Haar. Zwischen kahlen Ästen schimmerte das Sonnenlicht hindurch. Eventuell hätte sie einen Hut mitnehmen sollen. Aber diesen Gedanken verwarf sie sofort wieder. Wenn eine sommersprossige Duchess nicht der Mode entsprach - wirklich zu schade... Viel zu oft hatte sie sich den Wünschen ihres Mannes gefügt. Sie würde stets so bleiben, wie sie war. Das hatte Rand vor der Hochzeit gewusst.
Sie stieg auf einen kleinen Hügel. Zu ihrer Überraschung stand Rand auf dem anderen Hang, vom Haus nicht zu sehen. Eine Palette voller bunter Herbstfarben in der Hand, neigte er sich zu einer dreibeinigen Staffelei und malte eine hübsche Landschaftsszene - ein unbelaubtes Ahornwäldchen am Ufer des klaren Bachs.
Neugierig auf sein Werk, trat Cait näher und versuchte, über seine Schulter zu spähen, ohne ihn zu stören. Doch er spürte ihre Anwesenheit, drehte sich um, und als er sie erkannte, wurde er blass vor Zorn. »Was zum Teufel machst du hier draußen? Kannst du mich nicht einmal ein paar Minuten in Ruhe lassen? Musst du mir dauernd nachlaufen wie ein junges Hündchen?«
Zunächst fehlten ihr die Worte, dann bemerkte sie überflüssigerweise: »Du malst.« Verlegen, gekränkt und erbost zugleich erwiderte sie seinen vernichtenden Blick.
Das Blut stieg in seine eben noch bleichen Wangen. »Oh, ich vertreibe mir nur die Zeit«, erklärte er und nahm das Bild von der Staffelei. Erschrocken schnappte sie nach Luft, als er es mitten entzweiriss. »Wie du siehst, habe ich meine Tätigkeit schon beendet«, fügte er hinzu, ließ die beiden Hälften des Aquarells zu Boden flattern und stürmte in die Richtung des Hauses.
Cait hob die zwei Teile des Papiers auf und studierte die klaren Linien. Wie wundervoll er das Licht zwischen den Bäumen eingefangen hatte... Warum musste er dieses schöne Kunstwerk vernichten, fragte sie sich traurig.
Großer Gott, was war nur los mit ihm?
Im Grunde ihres Herzens wusste sie es. Sie entsann sich, dass Maggie ihr erzählt hatte, Rands künstlerische Neigungen seien von seinem Vater verspottet und »weibisch»genannt worden. Bestürzt kehrte sie zum Gipfel des kleinen Hügels zurück und starrte ihrem Mann nach. Wenige Sekunden später raffte sie ihre Röcke und folgte ihm, so schnell sie konnte. Im Garten holte sie ihn ein.
»Warte, Rand!« Obwohl er den Ruf hörte, ging er entschlossenweiter. »Rand, ich möchte mit dir reden-bitte...«
Da verlangsamte er seine Schritte. Neben einer Hecke blieb er stehen und holt tief Atem. »Was willst du? Ich habe zu tun.«
»Hör mir zu, Rand«, flehte sie und hielt die beiden Hälften des Aquarells hoch. »Dieses Bild finde ich großartig. Und deshalb brauchst du
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