Taran Bd 2 - Der schwarze Kessel
aufzuspüren!«
Inzwischen hatte sich der Eingang so weit geöffnet, dass Taran die Umrisse einer Gestalt zu erkennen glaubte. Doli ging darauf zu. »Ach, du bist es, Gwystyl!«, sagte er. »Das hätt ich mir eigentlich denken können.«
»Ach, du bist es, Doli!«, antwortete eine traurige Stimme. »Ich wünschte, du hättest mir eine Warnung zukommen lassen.«
»Was heißt da Warnung! Ich werde dir mehr als eine geben, wenn du nicht aufmachst. Eiddileg wird davon hören. Wozu soll ein Stützpunkt gut sein, der einem verschlossen bleibt, wenn man in Not ist? Ich hoffe, du kennst das Gesetz. Es ist deine Pflicht, uns Unterschlupf zu gewähren – auch ohne dass man sich heiser zu brüllen braucht!«
Gwystyl stieß einen langen Seufzer aus und öffnete das Tor noch weiter. Obwohl beide dem Volk der Unterirdischen angehörten, hatte er nicht die mindeste Ähnlichkeit mit Doli. Er war nahezu doppelt so groß wie der Zwerg, aber außerordentlich dürr, und sein langes, schütteres Haar hatte die Farbe von schimmeligem Flachs. Gwystyls von tausend Runzeln durchfurchtes Gesicht erweckte den Eindruck, als gedenke er jeden Augenblick in bittere Tränen auszubrechen. Um die schmalen Schultern trug er einen Umhang von schmutziger Farbe, an dem er unstet herumzupfte. Unter herzzerreißendem Seufzen und Stöhnen erklärte er sich bereit, Doli einzulassen.
Gurgi und Fflewddur waren nun gleichfalls herangekommen. Als Gwystyl sie erblickte, ließ er ein unterdrücktes Ächzen hören und sagte: »O nein, keine menschlichen Wesen! Vielleicht ein andermal. Tut mir Leid, Doli – glaub mir, vielleicht ein andermal!«
»Sie sind meine Freunde«, erwiderte Doli ungerührt. »Ich beanspruche den Schutz der Unterirdischen auch für sie.«
Laut wiehernd brach Fflewddurs Pferd durch die Büsche. »Gäule!«, rief Gwystyl entgeistert. »Auch das noch! Bring deine Menschen herein, wenn du musst – doch verschone mich mit den Gäulen! Ich kann keine Pferde ausstehen, Doli, ich mag sie nicht! All das Schnauben und Stampfen und ihre großen, knochigen Köpfe! Die Biester kommen mir hier nicht rein! Das ist eine Zumutung!«
»Wohin hast du uns da geführt, Doli?«, fragte Ellidyr. »Erwarte von meinem Ross und mir nicht, dass wir uns voneinander trennen! Kriecht von mir aus in dieses Rattenloch – ich bleibe bei Islimach.«
»Wir können die Pferde nicht einfach draußen lassen«, erklärte Doli. »Schaff Platz für sie, Gwystyl, oder du kannst was erleben!«
Mürrisch den Kopf schüttelnd, öffnete Gwystyl den Durchgang zu voller Weite und seufzte: »Nun gut, führt sie alle herein, die verdammten Bestien! Habt ihr noch ein paar von der Sorte? Es macht mir nichts aus, mir ist das einerlei.«
Dem Jungen tat Gwystyl leid, er konnte ihn bis zu einem gewissen Grad verstehen. Nur unter beträchtlichen Schwierigkeiten gelang es Adaons Ross Lluagor, unter dem niedrigen Torbalken durchzukommen. Islimach rollte bedrohlich die Augen, als sie die Dornen an ihrer Flanke spürte.
Sie gerieten in eine Art Tunnel, dessen rechte Seitenwand aus festem Erdreich bestand, während die linke aus einer undurchdringlichen Hecke von Zweigen und Dornenranken gebildet wurde.
»Hier könnt ihr die Gäule abstellen«, seufzte Gwystyl. »Ich habe den Gang erst kürzlich sauber gefegt. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, er könnte sich eines Tages in einen Stall verwandeln. Aber was hilft es, man muss sich fügen.«
Nachdem sie die Pferde zurückgelassen hatten, führte Gwystyl seine Besucher durch einen schmalen Durchlass in einen kreisrunden Raum. Ein Geruch von Fäulnis und welkem Laub schlug ihnen entgegen. Auf einem winzigen Herd flackerte ein Grasfeuer, dessen Rauch sie zum Niesen reizte. Die Einrichtung bestand aus einer schlampigen Strohschütte, einem wackligen Tisch und zwei Stühlen. Eine große Anzahl von Grasbüscheln hing zum Trocknen an den Wänden, durch die allenthalben verfilzte Wurzeln hereinragten. Obwohl es in dem engen Raum außerordentlich heiß war, hüllte sich Gwystyl fröstelnd in seinen Umhang.
»Sehr gemütlich hier«, meinte Fflewddur, wobei er heftig hustete.
Gurgi eilte zur Feuerstelle und legte sich trotz des Rauches neben dem Herd auf den Boden. Adaon schien die Unordnung nicht zu beachten. Er trat auf Gwystyl zu und sagte: »Hab Dank für die Gastfreundschaft, die du uns erweist! Du musst wissen, dass man uns hart verfolgt hat.«
»Gastfreundschaft!«, maulte Doli. »Noch haben wir herzlich wenig davon verspürt.
Weitere Kostenlose Bücher