Taran Bd 2 - Der schwarze Kessel
Ross, und …« Ein Blick auf die Harfe zeigte ihm, dass die Saiten sich wieder einmal bedenklich gespannt hatten. »Nein, nicht das Ross stürzte!«, rief er geschwind. »Ich selbst war es, glaube ich, der heruntergefallen ist – und bevor ich mich wieder aufrappeln konnte, war Doli mit seinen Verfolgern längst über alle Berge – soweit man in dieser Gegend von Bergen sprechen kann.«
»Und dein Pferd?«, fragte Taran.
»Das auch«, gab der Barde kleinlaut zur Antwort. Er band sich die Schuhriemen fest und war froh, dass er nicht mehr zu Fuß gehen musste. Taran nahm Eilonwy wieder zu sich auf Melynlas, während Fflewddur bei Gurgi aufsaß.
Taran war Dolis wegen in großer Sorge, er fürchtete auch für ihn das Schlimmste. Selbst wenn er am Leben war, hatten sie wenig Aussicht, ihn wiederzufinden.
Fflewddur warnte den Jungen davor, die bisherige Richtung beizubehalten, er sagte: »Wenn du zu weit nach Süden strebst, werden wir, statt in die Marschen von Morva zu kommen, aufs Meer stoßen. Halte dich lieber ein wenig nach links hinüber!«
Taran war unschlüssig, was zu tun sei. Zuletzt ließ er Melynlas einfach laufen, wohin er wollte. Der Wald wurde schütter, sie kamen auf eine weite, wellige Wiese hinaus. Taran hob sich im Sattel und blickte erstaunt umher. Die Wiese mit ihrem hohen Gras kam ihm seltsam vertraut vor, er kannte sie, hatte sie früher schon einmal gesehen … Wie zufällig griff er nach Adaons Spange, da wurde ihm alles klar. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Er blickte zum Himmel empor und sah, dass ein mächtiger grauer Vogel dort seine Kreise zog. Nun breitete er die Fittiche aus und schwebte ein Stück herab, dann flog er mit kraftvollen Flügelschlägen davon und entschwand ihren Blicken.
»Ein Sumpfreiher!«, sagte Taran. »Lasst uns ihm folgen! Ich wette, er führt uns genau in die Marschen!«
»Recht hast du!«, rief der Barde. »Wie gut, dass du ihn entdeckt hast – ich hätte ihn ganz bestimmt nicht beachtet.«
»Nicht mein Verdienst«, sagte Taran betreten. Dann erzählte er Eilonwy von der Spange, die Adaon ihm vermacht hatte, und von den Träumen der letzten Nacht.
»Ist es nicht merkwürdig?«, rief er. »Ich habe von Fflewddurs Harfe geträumt, und wir fanden den Barden selbst. Dann die Geschichte mit diesem Reiher! Ich habe auch ihn heute Nacht im Traum gesehen, genau wie die große Wiese. Und schließlich hatte ich noch einen dritten Traum, einen schrecklichen: Ein Bär und zwei Wölfe verfolgten mich durch die Sümpfe. Ich fürchte, auch er erfüllt sich – ganz so, wie Adaons Träume sich stets erfüllt haben.«
Eilonwy zeigte wenig Lust, ihm zu glauben. »Du willst mir doch wohl nicht einreden, dass das alles mit dieser Spange zusammenhängt, diesem Eisending«, sagte sie.
»Doch!«, widersprach ihr der Junge. »Seit ich sie trage, fühle ich mich – ich weiß nicht, wie ich es sagen soll – wie verwandelt, mit einem Wort. Freilich weiß ich noch längst nicht alles, was Adaon wusste. Und doch weiß ich plötzlich Dinge, von denen ich kurz zuvor keine Ahnung hatte. Merkwürdig ist das, glaub mir das; höchst befremdlich und schön zugleich.«
Eilonwy hatte ihm schweigend zugehört, nun meinte sie: »Du magst recht haben, Taran. Wenn man dir zuhört, ist es, als spräche Adaon. Seine Spange scheint in der Tat ein Geschenk zu sein, dessen Wert unschätzbar ist. Jedenfalls redest du plötzlich bedeutend klüger als je zuvor – und gar nicht mehr wie ein Hilfsschweinehirt.«
Die Marschen von Morva
chnell und sicher führte Taran die Gefährten den schmalen Pfad entlang, der sich seit dem Verschwinden des Sumpfreihers deutlich in der Wiese abzeichnete. Lluagor vermochte Melynlas kaum zu folgen, sodass Fflewddur den Jungen schließlich um eine kurze Rast bat. Gurgi, der wie ein vom Wind zerzauster Heuschober aussah, ließ sich dankbar ins Gras plumpsen, Eilonwy seufzte erleichtert auf.
»Gurgi könnte etwas aus seinem Beutel herausrücken«, meinte der Barde; doch Taran erwiderte: »Lasst uns zunächst einen Unterschlupf vor dem Regen suchen!«
»Vor dem Regen?«, rief Fflewddur. »Der Himmel ist klar, und die Sonne scheint; wir haben das prächtigste Wetter!«
»Lasst uns trotzdem auf Taran hören!«, erwiderte Eilonwy. »Ihr wisst, dass ich nie viel auf seine Meinung gegeben habe, doch neuerdings denke ich anders darüber.«
Der Barde fand ihre Worte reichlich merkwürdig. Dennoch folgte er Taran mit den anderen quer durch die Wiesen zu einer
Weitere Kostenlose Bücher