Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
stocherte damit im Feuer herum. »Ich kann es dir auch nicht erklären. Es fühlt sich an, als laste etwas Finsteres auf meiner Seele, etwas, das mich zornig macht. Bei jedem Kampf muss ich aufpassen, dass ich nicht die Beherrschung über mich und meine Kraft verliere. Ich habe so etwas noch niemals erlebt.«
Tarean streckte die Hand aus und strich dem Bären über den schwarzen Pelz. »Sind das auch die Spuren des Grimmwolfs? Vor At Arthanoc hattest du die dunklen Stellen noch nicht.«
Bromm wandte ihm den schweren Schädel zu und nickte. »Ja. Sie sind erst sichtbar geworden, nachdem die Wunden verheilt waren. Als mein Fell wieder zu wachsen anfing. Seitdem trage ich die Male des Dämons. In meiner Menschenform sieht man sie kaum, aber in meiner wahren Gestalt …«
Der Junge machte ein betretenes Gesicht. »Es tut mir leid. Das wollte ich nicht.«
Sein Gefährte legte ihm eine Pranke auf die Schulter. »Es muss dir nicht leidtun. Ich habe getan, was ich tun wollte. Was ich tun musste, um dir zu helfen, diesen elenden Hexenmeister zu besiegen – oder zumindest seine Herrschaft zu brechen. Das Opfer, das ich dafür zu bringen hatte, ist ein Geringes. Und ich werde lernen, mit dieser dunklen Seite in mir umzugehen, so wie ich lernen werde, mein neues Fell anzunehmen. Denn eigentlich sind es doch Male, die man mit Stolz herzeigen sollte. Wie viele Krieger mag es schon geben, die mit bloßen Händen den Grimmwolf angegriffen haben und noch leben, um davon zu berichten?« Der Bär grinste.
»Du hattest eine Doppelaxt«, verbesserte ihn Tarean und erwiderte das Lächeln.
»Richtig. Es war nett von dem Schwarzpelz, sie mir zu leihen.« Ein leises Lachen drang aus Bromms Kehle, das jedoch abrupt erstarb. »Ich frage mich, ob auch er vom Grimmwolf berührt worden ist …«
Tarean erinnerte sich an den roten, pfotenartigen Abdruck auf der Stirn des grausamen Wolflinganführers, der ihn seinerzeit von Agialon bis nach At Arthanoc gehetzt hatte. Vielleicht hatte tatsächlich auch in seinen Adern das Blut des Dämons gebrannt.
Eine Weile saßen sie einfach beisammen und schauten gedankenverloren in das niederbrennende Feuer.
»Tarean?«, setzte Bromm schließlich nun seinerseits an.
»Ja?«
»Es gibt da noch etwas, das du wissen solltest.« Der Werbär beugte sich etwas näher und senkte die Stimme. »Es geht um Auril.«
Der Junge spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Was ist mit ihr?«
Bromm antwortete mit einer Gegenfrage: »Du weißt, was es mit dem albischen Wasser des Sehens auf sich hat?«
»Natürlich«, antwortete Tarean. »Das Wasser ermöglicht es zwei Menschen, über weite Entfernungen miteinander zu sprechen.«
»Das ist richtig«, bestätigte Bromm. »Aber es gibt noch eine weitere Anwendung, eine, die nur wenigen aus dem inneren Kreise König Jeorhels bekannt ist.«
»Und dir?« Tarean warf ihm einen fragenden Blick zu.
Der Bär hob mit einer Miene, als könne er kein Wässerchen trüben, ergeben die Tatzen. »Auril gehört zu diesen wenigen. Ich bin nur ein guter Zuhörer.«
»Ich bin auch ein guter Zuhörer«, nahm Tarean Bromms Worte auf.
Die Lefzen des Bären zuckten. »Dann verrate ich dir jetzt Folgendes: Das Wasser des Sehens vermag nicht nur ein Fenster an einen anderen Ort zu öffnen, sondern auch in eine andere Zeit. Es wird von dem Orakel von Cayvallon verwendet, um Blicke in die Zukunft zu erhaschen. Man sagt, die Visionen seien meist verworren und schwer zu deuten. Oft genug sollen sie Dinge zeigen, die irgendwann und irgendwo passieren – wenn überhaupt. Manchmal jedoch deuten die Traumbilder recht klar auf das hin, was kommen wird.« Er hielt kurz inne und wiegte den massigen Bärenschädel hin und her. »Das mag Auril dazu verführt haben, das Wasser zu trinken.«
»Sie hat …«, rief Tarean verblüfft, senkte dann aber mit einem raschen Seitenblick zu dem Flugschiff, auf dem die Albin nach wie vor zugange war, eilig die Stimme, »… sie hat was ?«
»Sie hat vom Wasser des Sehens getrunken«, raunte der Bär mit besorgter Miene. »Und seitdem liegt ihr irgendetwas auf der Seele und quält sie, wie mich das Blut des Grimmwolfs quält. Ich weiß nicht, was sie gesehen hat, aber ich fürchte, es war mehr als nur die zusammenhangslosen Schrecknisse, von denen sie spricht, wenn sie von den Nachbildern der Vision in ihren Träumen heimgesucht und aus dem Schlaf gerissen wird.« Er holte tief Luft, dann fügte er fast unhörbar hinzu: »Ich fürchte um ihre Gesundheit,
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