Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Rumoren. Im nächsten Moment stieß Auril einen spitzen Schrei aus, der Käfig des Flugdrachen prallte lärmend gegen ein nahes Regal, und plötzlich tobte ein armlanges, geflügeltes Untier durch den Raum. Asfodir zeterte und spie winzige Rauchwolken aus, während er wie eine tollwütige Riesenfledermaus durch Froswinjas Laden fegte und dabei alles umriss, was nicht niet- und nagelfest war. Sofort herrschte ein furchtbarer Tumult. Fenrir und Tarean sprangen zur Seite, um dem wild gewordenen Flugdrachen aus dem Weg zu gehen. Im Türrahmen des Eingangs tauchten die beiden Vogelmenschensoldaten auf, die Waffen gezückt und zum Kampf bereit. Froswinja fluchte unterdessen wie ein agialonischer Jauchekutscher und stürzte in ein Hinterzimmer, um sogleich mit dicken Stulpenhandschuhen an den Händen und einem schlauchförmigen Netz, das an einem langen, festen Stock angebracht war, wiederzukehren.
»Macht alle Platz!«, schrie sie, hob mit grimmiger Miene das Netz und näherte sich Asfodir, der noch immer den Laden auf den Kopf stellte. Zwei-, dreimal schwang die Settin mit dem Netz durch die Luft, doch sie vermochte den umhersausenden Drachen im Flug nicht zu erwischen. Erst als sich dieser für einen Augenblick auf dem Waffenständer niederließ, gelang es der Ladenbesitzerin, erfolgreich zuzuschlagen. Blitzschnell ließ sie den Stab durch ihre Finger gleiten, zog das Netz mit dem gefangenen Flugdrachen zu sich heran und packte diesen mit den behandschuhten Händen. Dann stürmte sie an den Auslagen vorbei, zwängte das sich windende kleine Scheusal durch die offene Käfigtür und schlug diese hinter ihm wieder zu. Asfodir krächzte und schnaufte noch ein paarmal. Doch als Froswinja die Handschuhe abstreifte, ein paar Brocken Fleisch aus ihrer Schürze holte und ihm diese durch die Stäbe zuwarf, beruhigte er sich wieder.
»Donnerblitz und Steinschlag, was war das denn?«, fuhr die Settin herum und funkelte Auril an, die in einem der Gänge Schutz suchend untergetaucht war.
»Ich weiß es auch nicht«, gab die Albin zurück, während sie sich vorsichtig aufrichtete. Sie warf einen misstrauischen Blick auf Asfodirs Käfig. »Gerade war er noch ganz ruhig, dann ist er wie von Sinnen auf mich losgegangen.«
»Du hast doch bestimmt die Käfigtür geöffnet«, schimpfte Froswinja. »Wolltest den kleinen Racker nur mal streicheln oder so, hm? Das ist ein Drache, zum Donnerschlag! Kein Schoßtier, das man in den Arm nehmen und herzigen kann!«
»Ich habe überhaupt nichts getan!«, verteidigte sich die Albin, und auch in ihren Augen blitzte es nun zornig. »Der verdammte Käfig war offenbar nicht richtig abgesperrt.« Ihr Blick glitt zu Asfodir hinüber, der zufrieden seine Fleischbrocken verschlang. »Diese mörderische Bestie! Ich habe mich fast zu Tode erschreckt. Ich verschwinde hier. Keinen Augenblick länger verbringe ich mit diesem Vieh in einem Raum.« Und damit stapfte sie empört aus dem Laden.
»Ja, geh nur, dummes Kind!«, schrie ihr die Settin nach. Dann schnaufte sie geräuschvoll und strich sich eine blonde Strähne aus dem vor Wut geröteten Gesicht. »Unglaublich. Unverantwortlich. Törichtes Grauhautbalg. Jetzt muss ich hier alles wieder aufräumen.«
Fenrir schenkte Froswinja ein um Verzeihung heischendes Lächeln. »Ich entschuldige mich für diesen Zwischenfall. Seid versichert, dass es nicht in unserer Absicht lag, Euch Ärger zu bereiten. Bitte lasst uns rasch unser Geschäft abschließen. Danach werden wir Euch auch nicht länger behelligen.«
Die Settin blickte Auril noch einen Herzschlag lang finster nach, dann nickte sie. »Ja. Ist wohl besser, wenn ihr so schnell wie möglich verschwindet.«
Der Nondurier ließ sich eine Summe für die erworbenen Güter nennen und versuchte auch nicht zu handeln, als Froswinja einen Preis festlegte, der mit Sicherheit höher ausfiel, als es noch vor wenigen Augenblicken der Fall gewesen wäre. Danach rief Fenrir die beiden Soldaten herein, um zu helfen, die Ausrüstung nach draußen zu tragen und auf den Rücken der Greifen zu verstauen. Fast übertrieben höflich verabschiedeten sich Fenrir und Tarean von Froswinja, die ihnen im Gegenzug nur kurz angebunden zunickte und ihnen mit vor der Brust verschränkten Armen nachblickte, als sie den »Drachenhort« verließen.
Nur Momente später bestiegen sie ihre Reittiere und erhoben sich in den Himmel über Nonuada. Tarean ließ einen letzten Blick über die Stadt gleiten, dann lenkte er – genau wie die anderen
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