Tarzan 01 - Tarzan bei den Affen
auszuheben, aber Tarzan von den Affen hatte Ausdauer, und so setzte er seine Arbeit fort, bis er ein genügend tiefes Loch gegraben hatte, das die Truhe aufnehmen und wirksam jedem Blick entziehen konnte.
Warum nahm er all die Mühen auf sich, ohne zu wissen, was sie enthielt?
Tarzan von den Affen hatte die Figur und das Gehirn eines Menschen, doch er war durch seine Erziehung und Umgebung ein Affe. Sein Gehirn sagte ihm, daß sich etwas sehr Wertvolles in der Truhe befinden mußte, sonst hätten die Menschen sie nicht verborgen. Seine Erziehung hatte ihn dazu gebracht, alles nachzuahmen, was neu und ungewöhnlich war, nun veranlaßte ihn seine natürliche Neugier, die Affen ebenso wie Menschen eigen ist, die Truhe zu öffnen und den Inhalt zu untersuchen.
Das schwere Schloß und die dicken Eisenbänder trotzten jedoch seiner Schläue und immensen Körperkraft, so daß er genötigt war, die Truhe zu begraben, ohne die Neugier befriedigt zu haben.
Da er unterwegs ständig Nahrung suchte, war es völlig dunkel, als er den weiten Weg zurück zum Haus hinter sich gebracht hatte.
In dem kleinen Gebäude brannte Licht, denn Clayton hatte eine ungeöffnete Büchse Lampenöl gefunden, die trotz der zwanzig Jahre unversehrt war. Sie hatte zu den Vorräten gehört, die Black Michael den Claytons überlassen hatte. Die Lampen waren auch noch benutzbar, so schien für den verblüfften Tarzan im Inneren der Hütte Tageslicht zu herrschen.
Er hatte sich häufig über den genauen Zweck der Lampen den Kopf zerbrochen. Seine Lektüre und die Bilder hatten ihm gezeigt, was sie darstellten, aber er hatte keine Vorstellung, wie sie veranlaßt werden konnten, das wundervolle Sonnenlicht zu erzeugen, das sie den Bildern nach über alle Gegenstände ihrer Umgebung ausgossen.
Als er an das unmittelbar neben der Tür gelegene Fenster trat, sah er, daß der Innenraum durch eine grobe Zwischenwand aus Zweigen und Segeltuch in zwei Hälften geteilt war.
Im vorderen Raum befanden sich die drei Männer. Die zwei älteren diskutierten emsig miteinander, während der jüngere, den Rücken an die Wand gelehnt, auf einem improvisierten Schemel saß und sich in die Lektüre eines von Tarzans Büchern vertiefte.
Die Männer interessierten Tarzan jedoch weniger, deshalb suchte er das andere Fenster. Da war die junge Frau. Was für ein schönes Gesicht sie hatte! Wie schneeweiß und zart ihre Haut war!
Sie schrieb an Tarzans Tisch vorm Fenster. Die Negerin lag auf einem großen Haufen Gras an der gegenüberliegenden Seite des Raumes und schlief.
Eine ganze Stunde lang sah Tarzan unverwandt zu, wie die Frau schrieb. Wie gern hätte er mit ihr gesprochen, aber er unterließ jeden Versuch, denn er war überzeugt, daß sie, wie zuvor der junge Mann, ihn nicht verstehen würde. Auch fürchtete er, daß er sie verscheuchen könnte.
Schließlich stand sie auf und ließ ihr Schriftwerk auf dem Tisch liegen. Sie ging zu dem Bett, auf das sie mehrere Schichten weiches Gras gebreitet hatte, und schüttelte es auf.
Dann löste sie ihren goldblonden Haarschopf, der ihren Kopf krönte. Es fiel über ihr ovales Gesicht wie ein glitzernder Wasserfall, den die untergehende Sonne in flüssiges Gold verwandelt hatte, und reichte in Wellen bis zur Hüfte.
Tarzan stand wie verzaubert. Dann löschte sie die Lampe, und alles wurde in tiefe Finsternis getaucht.
Tarzan beobachtete weiter. Er schmiegte sich ganz dicht ans Fenster und lauschte. Nach einer halben Stunde wurde er für sein Warten belohnt, denn er hörte drinnen regelmäßiges Atmen, das von tiefem Schlaf kündete.
Behutsam schob er seine Hand zwischen den Maschen des Gitterwerks durch, bis sein ganzer Arm ins Zimmer ragte. Vorsichtig tastete er auf dem Schreibtisch umher. Schließlich spürte er das Schriftstück, das Jane Porter verfaßt hatte, unter seinen Fingern, und zog den Arm und die Hand mit dem kostbaren Schatz ebenso behutsam wieder zurück.
Er faltete die Blätter zu einem kleinen Päckchen und steckte es in den Köcher zu den Pfeilen. Dann tauchte er lautlos und weich wie ein Schatten in den Dschungel.
Der Tribut an den Dschungel
Tarzan erwachte früh am nächsten Morgen, und der erste Gedanke des neuen Tages galt wie der letzte des gestrigen dem wunderbaren Schriftstück, das sich in seinem Köcher befand.
Er hatte es in der stillen Hoffnung mitgenommen, lesen zu können, was die schöne weiße Frau am Abend geschrieben hatte, obwohl dafür wenig Aussicht
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