Tarzan 02 - Tarzans Rückkehr
recht kluges, schön gezeichnetes Gesicht. Ihr Schmuck glich dem ihrer Anhängerinnen, war jedoch viel besser verarbeitet und mit Diamanten besetzt. Die nackten Arme und Beine wurden fast völlig von massivem, mit Juwelen besetzten Schmuck verhüllt. Ein enganliegenden Gürtel aus goldenen Ringen, die im Verein mit zahllosen kleinen Diamanten seltsame Muster bildeten, hielt ihre einzige Bekleidung, ein Leopardenfell. Im Gürtel steckte ein langes, mit Juwelen besetztes Messer, in der Hand hielt sie statt eines Knüppels einen dünnen Stab.
Vor dem Altar angelangt, blieb sie stehen, und der Gesang hörte auf. Priester und Priesterinnen knieten vor ihr nieder, während sie den Stab über sie hielt und ein langes, ermüdendes Gebet sprach. Sie hatte eine sanfte, melodische Stimme – Tarzan konnte sich kaum vorstellen, daß die Besitzerin sich binnen weniger Augenblicke infolge der fanatischen Ekstase religiöser Verzückung in einen wild blickenden, blutdürstigen Henker verwandeln würde, um als erste, das triefende Messer noch in der Hand, aus dem kleinen goldenen Becher, der auf dem Altar stand, das warme, rote Blut ihres Opfers zu trinken.
Nach Beendigung ihres Gebets ließ sie ihre Augen zum ersten Mal länger auf Tarzan ruhen. Sie betrachtete ihn von Kopf bis Fuß mit allen Anzeichen von großer Neugier. Dann sprach sie ihn an; und als sie geendete hatte, schien sie auf eine Antwort zu warten.
»Ich verstehe eure Sprache nicht«, sagte Tarzan. »Vielleicht gibt es eine, die wir beide sprechen?« Aber sie verstand weder sein Französisch, noch Englisch, Arabisch, Waziri oder, als letzten Ausweg, den Mischdialekt der Westküste.
Sie schüttelte den Kopf, und ihre Stimme klang etwas müde, als sie den Priestern ein Zeichen gab, mit den Ritualen fortzufahren. Diese umkreisten ihn abermals in einer Wiederholung ihres idiotischen Tanzes, der schließlich auf einen Befehl der Priesterin abbrach. Sie hatte die ganze Zeit dagestanden und Tarzan scharf angesehen.
Auf ihr Zeichen ergriffen die Priester den Affenmenschen, hoben ihn hoch und legten ihn rücklings auf den Altar, so daß sein Kopf auf der einen Seite herabhing und die Beine auf der anderen. Danach bildeten sie mit den Priesterinnen zwei Reihen und hielten die kleinen, goldenen Becher bereit, ihren Anteil vom Blut des Opfers aufzufangen, wenn das Opfermesser sein Werk verrichtet hatte.
In der Reihe der Priester erhob sich allgemeiner Streit, weil jeder den ersten Platz einnehmen wollte. Ein grobschlächtiger, kräftiger Kerl, dessen tierisches Gesicht von der verfeinerten Intelligenz eines Gorillas zeugte, versuchte, einen kleineren Mann auf den zweiten Platz zu schieben, doch dieser wandte sich an die Hohepriesterin, die den Grobian in kaltem, befehlsgewohnten Ton ans Ende der Reihe verwies. Tarzan konnte ihn murren und brummeln hören, als er langsam zu dem ihm zugewiesenen, höchst ungünstigen Platz ging.
Nun stellte sich die Priesterin über Tarzan und begann, eine Art Bittgebet zu sprechen, jedenfalls schien es ihm so, während sie das dünne, scharfe Messer langsam hob. Er hatte den Eindruck, daß Stunden vergingen, ehe ihr Arm in seiner Aufwärtsbewegung innehielt und das Messer nun hoch über seiner ungeschützter Brust verharrte.
Nun begann es herabzuschweben, ganz langsam zuerst, doch in dem Maße, wie die Priesterin das Aufsagen des Bittgebets beschleunigte, sank auch das Messer immer schneller hernieder. Am Ende der Reihe war noch das Murren des verärgerten Priesters zu hören. Der Mann empörte sich immer lauter. Eine Priesterin in seiner Nähe rief ihn scharf zur Ordnung. Das Messer hing jetzt unmittelbar über Tarzans Brust, senkte sich jedoch nicht weiter, weil die Hohepriesterin aufschaute, um dem Urheber der gotteslästerlichen Störung einen mißbilligen Blick zuzuwerfen.
Plötzlich kam es am Ende der Reihe zu einem Wortwechsel und Tumult, und Tarzan drehte den Kopf noch rechtzeitig in die entsprechende Richtung, um zu beobachten, wie der grobschlächtige Kerl von einem Priester über die Frau ihm gegenüber herfiel und ihr mit einem einzigen Hieb seines Knüttels den Schädel einschlug. Dann folgte, was Tarzan hundertmal bei den wilden Bewohnern seines Dschungels miterlebt hatte. Er hatte gesehen, wie Kerchak, Tublat und Terkoz davon befallen wurden und darüber hinaus ein Dutzend andere mächtige Affenmännchen seines Stammes; selbst Tantor, der Elefant, war nicht dagegen gefeit gewesen. Es gab kaum einen männlichen Waldbewohner,
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