Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
hinzukriegen, sondern vor allem daran, dass Christina mich mit eisernem Griff gepackt hat und ich Schwierigkeiten habe, mich auch nur einen Moment lang zu lösen. Sobald die Tür zuschlägt, sind ihre Arme um mich geschlungen, ihre Hände in meinen Haaren, und obwohl sie nichts sagt, verrät mir ihr Gesichtsausdruck, was sie in den letzten paar Stunden durchgemacht haben muss.
Ich lasse zu, dass sie meinen Kopf an ihre Brust zieht, und dann höre ich nichts mehr außer ihrem Herzschlag, nichts außer ihrem Atem, nichts außer ihrem Blut, das durch ihre Venen rauscht. Das bringt mich besser als jeder Kompass wieder auf Position. Ich schlinge meine Arme um ihre Taille und bewege mich nicht, bis wir die Grenze nach Maryland passieren und auf dem Weg nach Charlottesville sind.
EINUNDZWANZIG
Während wir fahren, erzähle ich meiner Mom, was auf dem Gelände geschehen ist, auch wie Aaron von Rufus’ Sicherheitssystem erschossen wurde. Sie verzieht ihr Gesicht vor Mitgefühl. »Armer Rufus«, flüstert sie. Dann ist sie still, bis die Sonne schon wieder lange am Horizont aufgegangen ist. Ich frage mich, ob sie wohl darüber nachdenkt, wie leicht es auch mich hätte treffen können. Dann wäre ich auf dem Waldboden verblutet. Ich weiß, dass ich es bin .
Moms Schultern entspannen sich schließlich, als wir die Grenze nach Virginia überqueren. Wir sind an einigen Cops vorbeigekommen, aber in unserem grauen Wagen mit dem Kennzeichen von Pennsylvania erregen wir keinerlei Aufmerksamkeit. In Fredericksburg holen wir uns an einem Drive-in ein Frühstück und dann parken wir hinter einem schäbigen Motel unter den tief hängenden Ästen eines Pekannussbaums.
»Ich muss ein bisschen schlafen«, murmelt meine Mom. »Ich bin kurz davor, ohnmächtig zu werden. Und wahrscheinlich sollten wir uns verstecken, bis es dunkel wird. Ich will kein Risiko eingehen. Kannst du Wache halten?«
»Kein Problem.« Irgendwann in den letzten ein, zwei Stunden haben Christina und ich die Plätze getauscht, und jetzt halte ich sie, während sie mit dem Kopf an meiner Brust döst. Ich habe meine Füße mit einem Haufen Feuchttücher gesäubert, die meine Mom am Drive-in bekommen hat, und es stellt sich heraus, dass sie – abgesehen von einem langen Kratzer auf meiner linken Fußsohle – nicht allzu viel Schaden genommen haben. Sie tun mir trotzdem weh bis auf die Knochen, und da kommt mir die Gelegenheit, sie eine Weile hochzulegen und still zu halten, gerade wie gerufen. Mein Hirn ist eine andere Geschichte. Ich bin immer noch aufgedreht.
Meine Mom schaut zu Christina. »Sie wollte dir heute Nacht hinterher.« Sie lächelt. »Ich hab mir gewünscht, du hättest ein bisschen was von dem Valium dagelassen.«
Ich streiche über Christinas Haar. »Still sitzen ist nicht so ihr Ding.«
»Sie macht in ein paar Wochen ihren Abschluss, oder?«
»Ja. Wenn wir es je wieder zurückschaffen.«
»Studienpläne?«, fragt meine Mom.
»Fragst du mich das wirklich, nach allem, was passiert ist? Als könnte sie einfach so in ihren Alltag zurückkehren?«
»Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Wenn es nach mir geht, legt sich das hier bald, Tate.« Sie reibt sich die Schläfe und schließt die Augen. »Verlier die Hoffnung nicht.«
»Penn«, sage ich, und ein bekannter Schmerz steigt in meiner Brust auf, als ich auf Christinas Gesicht hinabblicke und sie so friedlich schlafen sehe. »Sie wurde an der Penn aufgenommen.« Ich bin glücklich, dass sie auf so eine gute Uni gehen wird. Und bis Philadelphia sind es bloß zwei Stunden Zugfahrt. Und wir haben ja noch den Sommer. Wenn man mal davon ausgeht, dass wir beide noch am Leben sind und ich nicht irgendwo in eine geheime Zelle der CIA gesperrt werde. Wenn man mal davon ausgeht, dass sie noch mit mir zusammen sein will.
Gott, ich werde sie vermissen.
Meine Mutter nickt. »Es ist am besten so.«
»Was hast du gesagt?«
Ihre Augen begegnen meinen. »Jetzt, da du die Wahrheit kennst, musst du dich deiner Verantwortung stellen.«
»Meiner Verantwortung?«
»Sicherstellen, dass die Archer-Linie nicht mit dir endet.«
In meiner Magengrube bildet sich eine Kugel aus Blei, kalt und toxisch. »Darüber reden wir nicht.«
Sie zieht das Zopfgummi von ihrem Pferdeschwanz ab und stellt ihren Sitz nach hinten. »Schon okay. Wir brauchen nicht jetzt darüber zu reden.«
Übersetzung: An irgendeinem Punkt werden wir darüber reden.
Ich rutsche ein wenig im Sitz hinunter, umschließe Christina noch fester mit
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