Tatsache Evolution
unsere Teich-Enten tun. Bei der Unterwasser-Jagd werden die Beutetiere (Krebse, Ringelwürmer) mit einem hoch spezialisierten |280| Elektro-Rezeptorsystem detektiert, das in dieser Form bei anderen Wirbeltieren unbekannt ist (MacDonald 2001).
Abb. 9.9: Lebensweise des Australischen Schnabeltiers (
Ornithorhynchus anatinus
) im natürlichen Habitat. Die urtümlichen Säuger ernähren sich, ähnlich wie Enten, von Kleintieren, die unter Wasser erbeutet werden. Der Bau mit Endkammer wird von den brütenden Weibchen angelegt, wobei der Eingang immer über dem Wasserspiegel liegt. Die Brutkammer wird fürsorglich mit feuchten Laubblättern ausgelegt, um die Eier und die später am Mutterleib trinkenden Jungtiere vor Verletzungen und Austrocknung zu schützen (nach Bergamini, D.:
The Land and Wildlife of Australia
. New York, 1964).
Abb. 9.10: Foto eines jungen Schnabeltier-Weibchens, das 1958 von Australien nach New York exportiert wurde. Da man die natürlichen Lebensbedingungen in Zoologischen Gärten nicht nachahmen konnte, starb das Tier ein Jahr später (A). Stammbaum der Säugetiere (Klasse Mammalia), basierend auf Fossilfunden und DNA-Sequenzdaten. Die Monotremata (Eier legende urtümliche Säugetiere) sowie lebend gebärende Marsupialia (Beuteltiere) und Placentalia (Placentatiere) sind durch repräsentative Arten dargestellt (nach Warren, W.C.:
Nature
453, 175 – 184, 2008).
Die versteckt lebenden, nachtaktiven Schnabeltiere legen einen Bau mit gewundenen Gängen an, an deren Ende eine mit Eukalyptus-Blättern ausgekleidete Bruthöhle liegt, in der die Eier abgelegt und die geschlüpften Jungtiere mit abgesonderter Muttermilch ernährt werden. Von einem »Säugen« kann bei dieser Form der Brutpflege nicht gesprochen werden, da die Milch von Hautdrüsen in Form einzelner Tropfen in das Bauchfell sezerniert und dort von den Jungen aufgeleckt wird. Neben dem Schnabeltier (Abb. 9.9, 9.10 A) lebt in Australien noch ein zweiter Eier legender primitiver Säuger der Unterordnung Monotremata (Kloakentiere), der Schnabeligel mit verwandten Arten. Auf diese interessanten Tiere kann hier nicht eingegangen werden.
Zwei berühmte Vorgänger von Charles Darwin, die französischen Naturforscher E. Geoffroy Saint-Hilaire (1772–1844) und |281| J.-B. de Lamarck (1744 – 1829) (s. Abb. 3.2, S. 72) untersuchten um 1810 nach Europa importierte Schnabeltiere und zogen die Schlussfolgerung, dass die behaarten, jedoch Zitzen-losen »Entenschnabel-Wasserratten« primitive Ur-Säugetiere (Prototheria ) sein könnten. Erst 1884 wurde definitiv nachgewiesen, dass Schnabeltiere Eier legen und ihre Jungen über abgesonderte Muttermilch ernähren: Die scharfsinnige Lamarcksche »Prototheria-Hypothese « war mit diesen Beobachtungen belegt (McDonald 2001).
Darwin ist in einem Tagebucheintrag vom Januar 1836 auf das Schnabeltier, das er in Australien beobachten konnte, eingegangen : »A disbeliever in anything beyond his own reason, might exclaim: Surely two distinct creators must have been at work« (»eine Person, die nur ihrem eigenen Verstand folgt, könnte ausrufen: Hier müssen gewiss zwei verschiedene Schöpfer am Werke gewesen sein«). Diese Bemerkung ist interessant , weil sie belegt, dass der 27-jährige examinierte Theologe damals offensichtlich seinen Schöpfungsglauben noch nicht abgelegt hatte. Wir wissen aus anderen Quellen, dass Darwin während seiner Weltreise noch regelmäßig in der Bibel las, was ihm spöttische Bemerkungen von Seiten des technischen Personals der
H.M.S. Beagle
eingebracht hat.
Das Schnabeltier ist, wie oben dargelegt, »von außen« betrachtet (Phänotyp) als Bauplan-Mischform, bestehend aus einem Enten-Vogel (Schnabel, Schwimmhäute), einem Reptil (lederartige Eier, Giftdrüsen) und einem Säugetier (Fell, Milch-Absonderung ), zu interpretieren. Im Jahr 2005 wurden die Geschlechts-Chromosomen von
Ornithorhynchus
analysiert. Das seltsame Tier besitzt nicht die für Säuger typischen zwei (XX oder XY für weibliche bzw. männliche Individuen), sondern zehn das Geschlecht festlegende Chromosomen. Auf einem dieser Geschlechts-Chromosomen wurde ein für Vögel typisches Gen entdeckt, was wiederum die Verwandtschaft des Schnabeltiers mit urtümlichen Vertretern der Aves (bzw. Reptilien wie Raub-Dinosauriern) belegt.
Im Mai 2008 wurde das vollständige, etwa 18 500 Protein-Gene umfassende Genom des Schnabeltiers publiziert und auf Grundlage eines geochronologisch datierten Stammbaums der |282|
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