Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U. Kutschera
Vom Netzwerk:
evolutionäre Ursprung dieses seltsamen amphibisch lebenden Wirbeltiers rekonstruiert (Abb. 9.10 B). Die Analyse des Genotyps von
Ornithorhynchus
ergab, dass im Erbgut dieses australischen »Primitiv-Säugers« Gene, wie sie bei heutigen Reptilien, Vögeln und Säugetieren zu finden sind, nebeneinander vorliegen. So fanden die Evolutionsforscher im Schnabeltier-Genom z. B. Gene für spezielle Mikro-RNAs (Reptilien-Merkmal ), Gensequenzen für das »Vogel-Eiweiß«-Protein Vitellogenin (Vogel-Merkmal) und DNA-Abschnitte für das Milchprotein Casein (Säuger-Merkmal) (Brown 2008). Der Misch-Phänotyp von
Ornithorhynchus
– eine »Eier legende, mit Entenschnabel und Bieberschwanz versehene Wasserratte« – ist somit auch auf dem Niveau des Genotyps ausgeprägt.
    Die Reptilsäuger der Trias-Periode (s. Abb. 7.11, S. 216) stehen am Anfang der Evolution der Mammalia (Kemp 2005, 2007). Diese Abstammungsfolge lief vor mindestens 166 Mio. J. (späte Jura-Periode) auseinander: Eine Linie evolvierte zu den lebend gebärenden Marsupialia und den Placentalia (Beutel- und Placenta-Säuger); die zweite evolutionäre Generationen-Reihe führte zu den Monotremata (Eier legende, urtümliche Säuger, die auch als Kloakentiere bezeichnet werden) (Abb. 9.10 B).
    Aus diesen Befunden können wir die folgenden allgemeinen Schlussfolgerungen ziehen. Das Schnabeltier ist, wie von Lamarck um 1810 vorhergesagt, als urtümliches Säugetier bzw. als »Relikt aus der Frühzeit der Evolution der Mammalia« zu interpretieren. Der eigentümliche Vogel-Reptil-Säuger-Bauplan ist auch auf dem Niveau der Gene niedergeschrieben. Das Genom rezenter Lebewesen ist daher in der Tat ein »DNA-Archiv «, in dem die evolutionäre Geschichte jedes Individuums niedergelegt ist. Das in Abb. 9.9 und 9.10 A dargestellte amphibische Bauplan-Mischwesen
O. anatinus
ist der letzte Vertreter einer ehemals artenreicheren Gruppe urtümlicher Säuger, die – ähnlich wie die Krokodile – über Jahrmillionen hinweg in Flüssen und Tümpeln in ihren Nachkommen von Generation zu Generation überlebt haben. Das trockene Festland haben Schnabeltiere allerdings nie besiedelt. Die verborgene, amphibisch-räuberische Lebensweise des nachtaktiven Schnabeltiers, das auf Dauer nur schwer in Gefangenschaft kultiviert werden |283| kann, dokumentiert die speziellen Lebensbedingungen dieses letzten Nachkommen einer »primitiven«, uns heute fremdartig erscheinenden Reptil-Vogel-Säugergruppe aus dem fernen Erdmittelalter (Jura-Periode, als der ausgestorbene Ur-Vogel
Archaeopteryx
noch seine Segelflüge vollzog und die großen Dinosaurier das Festland beherrschten).

[ Menü ]
Darwins Selektionsprinzip und DNA-Sequenzanalysen: Ein Widerspruch?
    Seit der Entdeckung der Erbsubstanz DNA und der um 1980 etablierten Protein- bzw. Gen-Sequenzanalytik wurde immer wieder gesagt, die molekularbiologischen Forschungsergebnisse hätten das Darwin-Wallace-Prinzip der natürlichen Selektion widerlegt. In »Sachbüchern«, die seit Jahren mit Titeln wie z. B.
Abschied vom Darwinismus
,
Darwins Irrtum
,
Die Evolutionslüge
usw. auf dem Buchmarkt erscheinen, wird von den nicht in der Evolutionsforschung ausgewiesenen Autoren behauptet, die natürliche Auslese in variablen Tier- und Pflanzen-Populationen sei ohne Relevanz für die »Schaffung« neuer Arten und Organismen-Baupläne. Wie u. a. der amerikanische Evolutionsbiologe S. B. Carroll (2006) im Detail dargelegt hat, ist diese verbreitete Ansicht unzutreffend: Die DNA-Sequenzen der Organismen der Erde stellen ein unermesslich großes Archiv der durch natürliche Ausleseprozesse geformten, an die jeweilige Umwelt angepassten Arten dar. Unter Einsatz spezieller Methoden ist es heute möglich, die natürliche Selektion selbst auf dem Niveau einzelner Gene nachzuweisen (Carroll 2006, Klingsolver und Pfennig 2007). Wir wollen diese wichtige Grundregel anhand der hier referierten Beispiele nochmals verdeutlichen .
    Der von Ernst Haeckel (1866) gezeichnete Stammbaum der Säugetiere (Abb. 9.4) wurde auf Grundlage der damals verfügbaren morphologisch-anatomischen Befunde erarbeitet. An der Basis von Haeckels Säugetier-Stammbaum (Wirbeltierklasse Mammalia) zweigen die »Ur-Säuger«, wie z. B. das Schnabeltier, ab. Die Genom-Analytik hat diese erstmals von Lamarck formulierte |284| Proto-Mammalia-Hypothese bestätigt (Abb. 9. 10 B). Weiterhin stellt Haeckel (1866) die Walartigen (Ordnung Cetacea, d. h. Wale und Delphine) als Nachkommen gewisser

Weitere Kostenlose Bücher