Tatsache Evolution
Kombinieren wir dieses Darwinsche »Out-of-Africa«-Postulat mit den im »Emotionenbuch« dargelegten Befunden, so wird deutlich, dass Charles Darwin auch auf dem Gebiet der Menschenkunde (Anthropologie) bahnbrechende Einsichten geliefert hat, die Jahrzehnte später u. a. durch Fossilfunde und molekularbiologische Analysen bestätigt werden konnten (Benton 2005, Junker 2006, Kutschera 2008 a).
Abb. 4.4: Zeichnungen eines ausgewachsenen Schimpansen (
Pan troglodytes
) in verschiedenen Gemütszuständen. Charles Darwin hat diese so genannte Emotionen-Forschung mit seinem Standardwerk aus dem Jahr 1872 begründet.
|111| Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass Darwin (1872) bei der Beschreibung und Analyse der tierischen und menschlichen Emotionen eine Reihe kleiner Fehler unterlaufen ist. So interpretieren wir heute z. B. das »Schnuten-Gesicht« des Schimpansen als »Aufregung« (Abb. 4.4). Das Lachen bei Schimpansen wird als Nebenprodukt des Spielverhaltens und nicht, wie Darwin (1872) vermutet hatte, als abgeleitete Furcht-Reaktion interpretiert. Weiterhin arbeitete Darwin die von Lamarck geprägte Theorie einer Vererbung erworbener (erlernter ) Eigenschaften in den Text ein. Diesbezüglich lag er in seinem »Emotionenbuch« an vielen Stellen falsch (s. Kapitel 3). Zusammenfassend muss allerdings hervorgehoben werden, dass Darwins grundlegende Theorie vom evolutionären Ursprung der menschlichen Emotionen durch jahrzehntelange Forschungen im Prinzip bestätigt werden konnte (Bekhoff 2000), obwohl dieses Werk eine Reihe kleinerer Irrtümer enthält .
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|112| Die Wuchsstoff-Hypothese und Begründung der Entwicklungsphysiologie
Die im letzten Abschnitt dargelegten Darwinschen Theorien lassen sich problemlos im Zusammenhang seiner These von der »Affen-Abstammung des Menschen« einordnen. Bereits in seinem Artenbuch (Darwin 1859/1872) deutet der Autor an, dass »Licht auf die Herkunft des Menschen fallen werde«. Beim Studium des Hauptwerks fällt allerdings auf, dass Darwin zahlreiche Beispiele aus dem Pflanzenreich bespricht. Wir wollen daher an dieser Stelle den Botaniker und Pflanzenphysiologen Charles Darwin unter Darlegung seiner wichtigsten Theorien auf dem Gebiet der »grünen Biologie« vorstellen. Hierbei soll das umfassende Spätwerk
The Power of Movements in Plants
, verfasst von Charles Darwin unter Mitwirkung seines Sohnes Francis, in den Mittelpunkt gerückt werden. Dieses Buch ist 1880 in Europa (London) und 1881 in den USA (New York) erschienen und wurde kurz darauf ins Deutsche übersetzt. Obwohl Darwins Sohn Francis später als
Lecturer
für Botanik/ Pflanzenphysiologie eine wissenschaftliche Karriere durchlaufen hatte und u. a. über ein Buch (Darwin und Acton 1892) noch heute zitiert wird (s. z. B. Kutschera und Niklas 2007), stand er – wie Mozarts begabter Sohn Franz Xaver (s. Kapitel 2) – zeitlebens im Schatten seines genialen Vaters. Wir wollen im Folgenden aus dem Werk »Darwin (1880)« zitieren, aber hierbei immer auch die Leistungen von Sohn Francis im Gedächtnis behalten.
Das unter dem deutschen Titel
Über Bewegungsvorgänge bei
Pflanzen
bekannt gewordene »Charles-und-Francis-Darwin-Buch « enthält drei grundlegende, auf Fakten basierende Hypothesen (bzw. Theorien), die nachfolgend dargestellt und aus heutiger Sicht bewertet werden sollen: Die
Wuchsstoff-Hypothese
, die
Wurzelspitzen-Hirn-Analogie
und die
Circumnutations-Theorie
pflanzlicher Bewegungsvorgänge. In diesem Abschnitt wollen wir Darwins größte Leistung als Pflanzenphysiologe , die Etablierung des Getreidekeimlings als Versuchsobjekt für die Wuchsstoff-Forschung, verbunden mit seiner
Transmissions-Hypothese
, darlegen.
|113| In den meisten Lehrbüchern zur Pflanzenphysiologie sowie in zusammenfassenden Übersichtsartikeln (Reviews) zum Thema »Physiologie der Zellstreckung/Wirkung des Pflanzenhormons Auxin« wird Charles Darwin als Urvater dieser Forschungsrichtung genannt (z. B. Kutschera 2002, 2003 b). In Abb. 4.5 ist ein Schema zur historischen Entwicklung (»Evolution«) der Wuchsstoff-Forschung dargestellt, das mit den Experimenten des Vater-Sohn-Duos Darwin (1880) beginnt. Was hatten die beiden Forscher in ihrem Privatlabor Neuartiges geleistet? Aus den Biographien zu Darwins Leben (z. B. Desmond und Moore 1991) geht hervor, dass der Biologe in seiner Villa u. a. verschiedene Vögel in großen Käfiganlagen gehalten hat und diese selbst fütterte. Es ist daher denkbar, dass Darwin für
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