Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U. Kutschera
Vom Netzwerk:
seine botanischen Untersuchungen u. a. Vogelfutter ausgesät hatte. So sind z. B. die Samen (d. h. Karyopsen) verschiedener Gräser Bestandteil der üblichen Vogelnahrung. Wie dem auch sei, die Darwins verwendeten für einige Experimente in Dunkelheit herangezogene (etiolierte) Keimlinge von Glanzgras (
Phaleris canariensis
) und Hafer (
Avena sativa
). Mit diesen rasch wachsenden Schösslingen erforschten die beiden Physiologen die Lichtsensitivität der Koleoptile. Dieses für Graskeimlinge charakteristische, das zarte Primärblatt umschließende Schutzorgan krümmt sich bei einseitiger Belichtung zur Strahlungsquelle hin: Wir bezeichnen diese differentielle Wachstumsreaktion als positiven Phototropismus (Kutschera 2002, Schopfer und Brennicke 2006).
    Die Darwins wiesen über elegante Experimente nach, dass nur die Spitze der Koleoptile, nicht jedoch die darunter liegenden Bereiche des Organs, den Lichtreiz wahrnehmen kann. Aus derartigen experimentellen Daten (Fakten) leiteten sie die Hypothese ab, dass die Spitze »einen Einfluss zu den unteren Teilen aussendet, der die Krümmung der basalen Organhälfte auslöst«. Dieser in der Spitze gebildete, nach unten transmittierte »Einfluss« konnte 1928 von dem niederländischen Botaniker Fritz Went (1903 – 1990) als Auxin (Indol-3-Essigsäure ) identifiziert werden. Über die in Abb. 4.5 skizzierten Zwischenstufen entwickelte sich die Wuchsstoff(Auxin)-Forschung . Im Jahr 1982 wurden spezielle Wachstumsapparaturen |115| erfunden, die noch heute bei der Erforschung der Hormonwirkung eingesetzt werden (Kutschera 2002, 2003 b, 2006, Schopfer und Brennicke 2006).
    Abb. 4.5: Entwicklung der Wuchsstoff(Auxin)-Forschung, ausgehend von Darwins Untersuchungen zum Phototropismus von in Dunkelheit angezogenen Graskeimlingen (Koleoptilen, s. Abb. 4.7 A). Die Darwins bestrahlten ihre Keimlinge einseitig (Pfeile) und beobachteten eine Organkrümmung, die sie auf eine von oben nach unten wandernde Substanz zurückführten (A). Ohne Spitze war kein derartiger Effekt nachweisbar. P. Boysen-Jensen wies 1910 nach, dass der von Darwin postulierte Wuchsstoff real existiert und über ein Stückchen Gelatine wandern kann. F. W. Went zeigte 1928, dass die Koleoptilspitze durch ein Agarblöckchen, dem zuvor isolierte Spitzen aufgesetzt wurden, ersetzt werden kann. Der Wuchsstoff (Auxin) diffundiert aus der Spitze in den Block und gelangt über diesen in die Graskoleoptile (B). Der rechts abgebildete Krümmungstest belegt, dass Auxin nur dort wirkt, wo es von oben her in die Zellen des spitzenlosen Organs gelangt. U. Kutschera und P. Schopfer führten 1985 Methoden zur Quantifizierung des Auxin-vermittelten Koleoptilwachstums ein (C), die noch heute unter dem Begriff »Segment-Test« im Gebrauch sind (nach Kutschera, U.:
Curr. Top. Plant Biol
. 4, 27 – 46, 2003).
    |115| Charles Darwin kann somit als der Urvater der Pflanzenhormon-Forschung und daher als Mitbegründer eines Teilgebietes der pflanzlichen Entwicklungsphysiologie angesehen werden. Dieser Zweig der Physiologie ist noch heute von großem theoretischem Interesse (Analyse der Mechanismen der Zellstreckung ) und praktischem Nutzen (Freiland-Versuche zur Erhöhung der Flächenerträge ausgewählter Nutzpflanzen durch Applikation gewisser Wuchsstoffe).

[ Menü ]
Circumnutations-Hypothese und Bewegungsvorgänge der Pflanzen
    In der Einleitung zu seinem 592 Druckseiten umfassenden Werk über die
Bewegungsvorgänge der Pflanzen
führte Darwin (1880) eine Definition ein, die bis heute gilt. Unter Verweis auf die Werke anderer Botaniker bezeichnete der britische Biologe die Pendel- bzw. Kreisbewegungen der Spitzen wachsender Keimlinge und diejenigen anderer Organe gewisser Pflanzen (z. B. Ranken) als
Circumnutationen.
Ausgehend von seiner Schrift
The Movements and Habits of Climbing Plants
(Darwin 1867), die acht Jahre später in einer erweiterten Fassung als Buch erschienen ist, erläuterte er am Beispiel von Kletterpflanzen seinen neuen Terminus. Darwin (1880) belegte an zahlreichen Beispielen aus dem Reich der Blütenpflanzen, dass Pendel- bzw. Kreisbewegungen universell verbreitet sind. Selbst bei jungen Wurzeln, die im Erdreich wachsen, konnte er dieses Phänomen nachweisen. Darwins
Theorie von der Universalität
der Circumnutationen
wachsender Sprosse und Wurzeln konnte von zahlreichen Physiologen in späteren Jahren bestätigt werden . Heute sehen wir die Pendelbewegungen wachsender Keimlinge immer wieder in

Weitere Kostenlose Bücher