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Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U. Kutschera
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eingegraben sein würden. Etwa 30 Jahre später waren die Kalkstückchen 18 cm tief unter der Erde. Darwin errechnete daraus eine »Regenwurm-Umpflügerate« von etwa 6 mm pro Jahr.
    Abb. 4.8: Ausschnitt der Erdoberfläche mit schematischer Darstellung der Aktivität des gemeinen Regenwurms (
Lumbricus terrestris
). Es wird deutlich, dass die Regenwürmer über ihre Grab- und Fressaktivitäten die oberen Bodenschichten in gewisser Weise umpflügen. Dies ist Grundlage von Darwins Bioturbations-Theorie, die später ein Grundstein der Bodenbiologie wurde.
    Im Jahr 1881, nur sechs Monate vor seinem Tod, wurden die Beobachtungen des 72-jährigen Forschers in Buchform publiziert . In diesem letzten seiner wissenschaftlichen Werke fasste Darwin die jahrzehntelangen Untersuchungen zur Regenwurm-Biologie zusammen. Dort formulierte er die weit reichende Schlussfolgerung, dass diese »niederen Würmer« entscheidend für die Umwälzung der Bodenmasse und Humusbildung verantwortlich sind. Nach Darwin (1881), dessen kurzes (139 Druckseiten umfassendes) Buch
The Formation of Vegetable
|124|
Mould, through the Actions of Worms, with Observations of
their Habits,
das bald auch unter dem deutschen Titel
Die
Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Regenwürmer
erschienen ist, soll die »ganze Masse des oberflächigen Humus durch die Körper der Regenwürmer hindurchgegangen sein«, ein Prozess, der sich Jahr für Jahr wiederholt (Abb. 4.9). Dieses Prinzip der Boden-Umschichtung durch Lebewesen wurde später als
Bioturbation
bezeichnet. Nach Meysman et al. (2006) kann der Inhalt von Darwins »Regenwurm-Buch« mit dem Terminus
Bioturbations-Theorie
gleichgesetzt werden, da dieses Konzept den Schwerpunkt dieser letzten Monographie darstellt.
    In der Einleitung listet Darwin (1881) seine Vorgänger auf diesem Fachgebiet auf und hebt hervor, dass die von ihm 1838 erstmals formulierte Regenwurm-Humus(d. h. Bioturbations)-These |125| von anderen Forschern abgelehrt worden sei. Die Regenwürmer seien »zu schwach und zu klein«, um diese schwere Arbeit als lebende »Boden-Umpflügemaschinen« verrichten zu können. Darwin merkt an, dass hier wieder einmal die menschliche »Unfähigkeit zum Aufsummieren von Effekten kontinuierlicher Ursachen« zutage komme. Diese Unfähigkeit zur Abstraktion habe »den Fortschritt in den Wissenschaften gehemmt, wie … erst kürzlich beim Prinzip der Evolution« (Darwin 1881). Der Zoologe Darwin untersuchte darüber hinaus die Sinnesleistungen und das Verhalten der Regenwürmer und sprach diesen Erdbewohnern keine große Intelligenz bzw. Fähigkeiten zu. Heute wissen wir allerdings, dass die nächsten Verwandten der Regenwürmer (Klasse Oligochaeta), die mit einem ebenso kleinen Gehirn ausgestatteten Egel (Klasse Hirudinea) komplexe Brutpflegemuster mit Jungenfütterung evolviert haben (Kutschera und Wirtz 2001, Kutschera 2008 a). Diese Verhaltensweisen verwandter »niederer Würmer«, von denen Darwin nichts wissen konnte, hätten den britischen Biologen mit Sicherheit fasziniert.
    Abb. 4.9: Bodenprofil der Ackererde. Gemäß der Darwinschen Bioturbations-Theorie erfolgt die Humus(bzw. Erde)-Bildung in den oberen Bodenschichten infolge der Umpflüge-Tätigkeit der Regenwürmer. Rasen, Erde ohne (A) und mit Steinen (B). Unter-Bodenschicht, aus schwarzem Sand und Quarzsteinen bestehend (C) (nach Darwin, C.:
The Formation of Vegetable Mould
. London, 1881).
    |125| Es gibt jedoch noch einen übergeordneten Grund, warum Darwins letztes Buch so bedeutsam war. Bis zur Veröffentlichung der Regenwurm-Monographie
glaubten
die meisten Nicht-Biologen, die Regenwürmer seien Gartenschädlinge, die man entfernen müsse, was im 19. Jahrhundert auch mit erheblichem Aufwand getan wurde. Charles Darwin erforschte das Leben dieser Wirbellosen, beschrieb die
Tatsache
, dass diese Oligochaeten Blätter fressen und die Erde umgraben (Abb. 4.8) und formulierte auf Basis dieser Fakten seine
Theorie der
Bioturbation
(Abb. 4.9)
.
Würden die Menschen noch heute daran glauben, die Regenwürmer seien zu entfernende Ackerschädlinge , so hätte dies gravierend negative Konsequenzen für den Nutzpflanzen-Anbau und die Welternährung. Charles Darwin wurde über sein »Regenwurm-Buch« zu einem der Begründer der
Bodenbiologie
(Meysman et al. 2006) und ist in den modernen
Soil Sciences
noch immer ein regelmäßig zitierter Autor.

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