Tatsache Evolution
Museumsbrief
70, 1 – 19, St. Gallen, 1991).
|212| 3. Als besonders gut dokumentierter makroevolutionärer Großübergang im Mesozoikum soll die Evolution der Vögel (Aves) angesprochen werden. Diese »Vogelwerdung« (Avinisation ) vollzog sich in zahlreichen Einzelschritten: Aus kleinen, auf Bäumen lebenden Raubdinosauriern (Theropoda, nächster Verwandter z. B.
Velociraptor
) entstanden über gut belegte Zwischenformen (z. B.
Microraptor,
ein gefiederter Räuber) während der mittleren Kreide die Vögel. Auch das Geheimnis vom Ursprung der Feder konnte in den letzten Jahren aufgeklärt werden: Vogelfedern sind nicht etwa den Reptilienschuppen homolog – sie sind aus stiftförmigen Wärmeisolatoren von am Boden lebenden Raubdinosauriern durch Funktionswechsel hervorgegangen. Der 1860 entdeckte, von Darwin (1872) nur kurz erwähnte Ur-Vogel
Archaeopteryx
(s. Abb. 5.3, S. 136) wird heute als Federn tragender Klein-Dinosaurier, einen evolutionären Seitenast darstellend, interpretiert. Über gefiederte »Dino-Vögel«, die fossile Zwischenformen im Bereich Theropode/Urvogel darstellen, haben sich alle rezenten Vögel der Erde entwickelt. Aus diesem Grund werden in der modernen Evolutionsbiologie die Vögel zu den Dinosauriern gestellt – »birds are dinosaurs« lautet die allgemeine Schlussfolgerung dieser Forschungsrichtung |213| (Weishampel et. al. 2004). Alle Dinosaurier-Arten (mit Ausnahme der zu Vögeln evolvierten Formen) sind am Ende der Kreidezeit ausgestorben. Die Ursachen dieses Desasters werden weiter unten diskutiert.
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Der Darwin-Strauß und die mögliche Rückkehr der Dinosaurier
In populären Filmen (z. B.
Jurassic Park
) wird das Wiederaufleben einiger der nicht zu Vögeln evolvierten Groß-Dinosaurier beschrieben. Über Bernstein-Insekten, die an Dinosauriern Blut gesaugt haben, soll aus isolierter Dino-Erbsubstanz (DNA) der Bauplan für Riesenformen, wie z. B.
Tyrannosaurus rex
, gewonnen und über Vogeleier »ausgebrütet« werden können. Wir wissen heute, dass in Fossilien eingeschlossene DNA nicht länger als etwa 100 000 Jahre erhalten bleibt – danach liegen nur noch Bruchstücke der Erbsubstanz vor (Details s. Kapitel 9). Eine |214| »Wieder-Erschaffung« der ausgestorbenen Urzeit-Riesen ist nach heutigem Kenntnisstand über diesen Weg daher nicht möglich.
Abb. 7.10: Lebende Dinosaurier-ähnliche Vögel mit
T.rex-
artigen Beinen. Der Darwin-Strauß (Syn.: kleiner Darwin-Nandu,
Pterocnema pennata
) ist ein flugunfähiger , straußenähnlicher, in Gruppen lebender Laufvogel aus Südamerika. Dinosaurier-Forscher wollen derartige Laufvögel als Versuchsobjekte verwenden , um mit gentechnischen Verfahren an urtümliche Dino-Vögel erinnernde Lebensformen zu züchten (Evolutionsexperiment im Rückwärtsgang).
|214| Bei Vorträgen, die ich im Februar und Oktober 2008 in Stanford, Kalifornien, gehört habe, hat ein amerikanischer Dinosaurier-Experte ein alternatives Konzept zur »Wiederbelebung der Giganten der Urzeit« vorgestellt. Da die Vögel die Nachfahren kleiner Raubdinosaurier sind, könnte man bei Saurier-ähnlichen Laufvögeln, wie z. B. dem australischen Emu oder dem südamerikanischen Darwin-Strauß (Abb. 7.10) über molekulargenetische Transformationen den »ehemaligen Dinosaurier im heutigen Vogel« in gewisser Weise »wiedererwecken«. Ob es einmal gelingen wird, aus Laufvögeln moderne »Dino-Birds « zu züchten und somit im Prinzip die organismische Evolution »im Rückwärtsgang« ablaufen zu lassen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Charles Darwin wäre über die hier besprochenen paläobiologischen Befunde zu den Trilobiten und Dinosauriern erfreut gewesen – das von ihm nur vage umschriebene Konzept der Makroevolution (gradueller Bauplan-Wandel innerhalb bestimmter Organismengruppen im Verlauf der Jahrmillionen) wird durch diese Dokumente aus der Erdgeschiche eindrucksvoll belegt (Abb. 7.8, 7.9). Die Tatsache, dass der nach ihm benannte Darwin-Strauß (Abb. 7.10) an seinem 200. Geburtstag als ein Modell-Vogel zur möglichen »Wiederherstellung« der ausgestorbenen Dinosaurier diskutiert wird, hätte den britischen Naturforscher überrascht. Zu Darwins Zeit wäre der Vorschlag einer (gentechnischen) »Rück-Züchtung« eines lebenden , Dinosaurier-ähnlichen Laufvogels als reine Fiktion abgetan worden, da man über die Mechanismen der Vererbung und dem zu Grunde liegenden Erbmolekül DNA noch nichts wusste. Dieses Beispiel soll ein weiteres Mal
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