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Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Titel: Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Koeppen
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anderen Land mit Weite, Frische und Jugend, und sie verehrte die Dichter. Edwin freilich war aus dem Land geflohen, aus dem Kay kam: war er vor der Weite oder vor der Jugend des Landes geflohen, doch nein, vor Kay war er wohl nicht auf Nimmer wiederkehr davon gereist, vielleicht vor Miss Wescott, der freundlichen Eule mit der Brille, doch auch diese war wohl nicht so schrecklich, man konnte schwer urteilen, warum Edwin geflohen war, wenn man das Land nicht kannte, ihm, Philipp, war die neue Welt, im Augenblick durch Kay vertreten, sympathisch. Er beneidete Edwin, Aber umso peinlicher war es nun für ihn, daß er nichts für die reizende, aus dem weiten und jungen Amerika gekommene Verehrerin der Poesie tun konnte und daß es allzu lächerlich und allzu schwer sein würde, nun von sich zu reden und all die Verwechselungen und Mißverständnisse zu erklären, die hier am skurril boshaften Werk waren. Er versuchte den älteren Damen zu offenbaren, daß er keineswegs Edwins Sekretär und selber nur gekommen sei, Edwin zu sprechen, aber schon war hiermit ein neuer Irrtum geboren, denn jeder faßte Philipps Worte so auf, daß er Edwins Freund sei, ein vertrauterGenosse Edwins deutscher Freund, sein deutscher Kollege, in Deutschland ebenso berühmt wie Edwin in der Welt, und die Lehrerinnen entschuldigten sich gleich, sie waren höflich und hatten Lebensart (sie waren viel höflicher und hatten viel mehr Lebensart als deutsche Lehrerinnen), daß sie Philipp nicht kannten, sie baten um seinen Namen, und Burnett schob gar Kay noch näher an Philipp heran und sagte »er ist auch ein Dichter, ein deutscher Dichter«. Kay reichte Philipp die Hand und äußerte Bedauern, nicht auch ein Buch von Philipp bereit zu haben, um ihn um seine Widmung bitten zu können. Kay duftete nach Reseda. Philipp liebte die Blütenwasser nicht, er mochte Parfüme aus künstlichen unbestimmten Ingredienzen, aber der Resedaduft paßte gut zu Kay, er war ein Attribut ihrer Jugend, eine Aura ihrer grünen Augen, und er erinnerte Philipp an etwas. Im Garten des Rektors hatte Reseda geblüht, die wohlriechende Reseda, und der Wohlgeruch hatte zu den Sommertagen gehört, wenn Philipp, das Kind, mit Eva, der Rektorstochter, auf dem Rasen lag. Reseda war hellgrün. Und von hellem Grün war Kay. Sie war ein hellgrüner Frühling. Kay dachte ›er sieht mich an, ich gefalle ihm, er ist nicht mehr jung aber er ist bestimmt sehr berühmt, ich bin erst Stunden hier und schon habe ich einen deutschen Dichter kennengelernt, die Deutschen haben so fürchterlich ausdrucksvolle Gesichter, sie tragen Charakterköpfe wie bei uns die schlechten Schauspieler, das ist wohl so, weil sie ein altes Volk sind und soviel durchgemacht haben, vielleicht war dieser Dichter in einem Bombenkeller verschüttet, es soll entsetzlich gewesen sein, mein Bruder sagt daß es entsetzlich war, er war bei den Fliegern, er hat hier Bomben geworfen, ich würde es nicht ertragen bombardiert zu werden, oder doch? vielleicht denkt man nur vorher man erträgt es nicht, die Dichter in Doktor Kaisers deutscher Literaturgeschichte sehen alle so schrecklich romantisch aus, wie Leute aus dem Verbrecheralbum, allerdings tragen sie da Barte, wahrscheinlicharbeitet er die Nächte durch, daher ist er so blaß, oder er ist traurig weil sein Vaterland Unglück hatte? vielleicht trinkt er auch, viele Dichter trinken, er wird Rheinwein trinken, ich möchte auch Rheinwein trinken, Katherine wird mich nicht lassen, wozu reise ich nur? er geht in einem Eichenwald spazieren und dichtet, eigentlich ist ein Dichter komisch, Hemingway glaub ich ist weniger komisch, Hemingway angelt, es ist weniger komisch zu angeln als im Wald spazieren zu gehen, aber ich würde mit dem deutschen Dichter in seinem Eichenwald spazieren gehen wenn er mich aufforderte, schon um es Doktor Kaiser zu erzählen würde ich mit ihm spazieren gehen. Doktor Kaiser wird sich freuen, wenn ich ihm erzähle daß ich mit einem deutschen Dichter im Eichenwald spazieren gegangen bin, aber der Dichter wird mich garnicht auffordern, ich bin zu jung, vielleicht wird er Katherine auffordern oder Mildred, aber mich würde er lieben wenn er sich trauen würde eine Amerikanerin zu lieben, mich würde er viel mehr lieben als er Katherine oder Mildred lieben würde.‹ Katherine Wescott sagte: »Sie kennen Mr. Edwin sicher sehr gut.« - »Seine Bücher«, erwiderte Philipp. Aber anscheinend verstanden sie sein Englisch nicht. Mildred Burnett sagte: »Es wäre

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