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Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Titel: Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Koeppen
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»Ich besuche niemand«, sagte Philipp. »Was machen Sie dann hier?« - »Treppengehen.« - »Sie täuschen mich nicht.« Messalina machte einen Versuch, ihm kokett auf die Schulter zu schlagen. »Hören Sie zu, wir geben eine Party heute abend, und ich möchte gern Edwin dafür haben. Es wird schick. Es wird auch für Edwin nett sein. Jack kommt undHänschen. Sie wissen schon was ich meine, alle Schriftsteller sind so.« Ihr frisch onduliertes Haar zitterte wie Himbeergelee. »Ich kenne Mr. Edwin nicht«, sagte Philipp erbost. »Ihr seid verrückt. Alle bringt ihr mich mit Edwin in Verbindung. Was soll das? Ich bin zufällig im Hotel. Ich habe hier zu tun.« - »Vorhin sagten Sie, Sie seien Edwins Freund. Wollen Sie die Grünaugige verführen? Sie sieht Emilia ähnlich. Emilia und das Mädchen wären ein schönes Paar.« Messalina blickte in die Halle hinunter. »Es ist alles ein Mißverständnis«, sagte Philipp. »Ich kenne auch das Mädchen nicht. Ich werde sie nie wiedersehen.« Er dachte ›schade ich würde dich gern wiedersehen, aber würde ich dir gefallen?‹ Messalina blieb hartnäckig: »Was machen Sie also wirklich hier, Philipp?« - »Ich suche Emilia«, sagte er verzweifelt. »Ach! Kommt sie her? Ihr habt hier ein Zimmer?« Sie rückte ihm näher. ›Es war falsch, es war falsch ihr das zu sagen‹, dachte Philipp. »Nein«, sagte er, »ich suche Emilia hier nur. Sie kommt aber bestimmt nicht hierher.« Er versuchte an dem Denkmal vorbeizukommen, doch das Himbeergelee zitterte allzu gefährlich, jeden Moment konnte es ins Gleiten geraten, eine Wolke werden, eine rote sich in roten Nebel auflösende Wolke, ein Rauch, in dem Philipp sterben würde. »Lassen Sie mich doch«, rief er verzweifelt. Aber sie flüsterte nun, das breite trunkverwüstete Gesicht gegen sein Ohr gepreßt, als habe sie ihm Vertrauliches mitzuteilen: »Was macht der Film? Der Film für Alexander. Er fragt immer, wann Sie wohl den Film bringen werden. Er freut sich schon so darauf. Wir könnten uns alle in Edwins Vortrag treffen. Sie bringen Emilia und die kleine Grüne mit. Wir gehen vor der Party in Edwins Vortrag, und nachher hoffe ich -« - »Hoffen Sie nichts«, unterbrach Philipp sie brüsk. »Es gibt nichts zu hoffen. Es gibt überhaupt keine Hoffnungen mehr. Und für Sie erst recht nicht.« - Er eilte die Treppe hoch, bereute auf dem Treppenabsatz seine Aufrichtigkeit, wollte umkehren, fürchtete sich dann und öffnete eine Tür, die an Wäschekammernvorbei zu einem absteigenden Gang und schließlich in die berühmte im Reisehandbuch mit Sternen hervorgehobene Küche des Hotels führte.
    Hatte Edwin die Lust an Küchenfreuden verloren? Das Essen schmeckte ihm nicht. Nicht appetitlos, nein angewidert verschmähte er die Erzeugnisse des berühmten Herdes, die leckeren Gaumenspezialitäten des Hauses, die man ihm in silbernen Töpfen und porzellanenen Schüsseln ins Zimmer gebracht hatte. Er trank ein wenig Wein, Frankenwein, von dem er gelesen, gehört und auf den er neugierig gewesen war, aber der aus der bauchigen Flasche hell sprudelnde Trunk deuchte ihm dann allzu herb für diese Mittagsstunde eines trüben Tages. Es war ein Sonnenwein, und Edwin sah keine Sonne, der Wein schmeckte nach Gräbern, er schmeckte, wie alte Friedhöfe bei nassem Wetter riechen, es war ein Wein, der sich anpaßte, der die Heiteren lachen und die Traurigen weinen machte. Entschieden, Edwin hatte einen schlechten Tag. Er ahnte nicht, daß unten in der Halle ein anderer für ihn unfreiwillig stellvertretend die belanglosen mit dem Ruhm des Pressebildes kommenden Lästigkeiten und kleinen Huldigungen empfing und erduldete, Annäherungen und Schmeicheleien, die Edwin ebenso zuwider waren, wie sie Philipp peinlich quälten, der sie ertragen mußte und dem sie nicht galten. Philipps Mißgeschick hätte noch weiter zu Edwins Verstimmung beigetragen; Edwin hätte sich nichts von Philipp abgenommen gesehen, er hätte nur das Fragwürdige und Komische der eigenen Existenz durch Philipps Auftritt wie durch einen Schatten vergrößert, gezeichnet und verraten gefunden. Aber Edwin erfuhr nichts von Philipp. Er schritt in schwarz-roten Lederhausschuhen, in einen buddhistischen Mönchsmantel, sein Arbeitskleid, gehüllt, um den zierlichen Tisch herum, auf dem die verschmähten Eßgenüsse dampften und dufteten. Die unberührte Tafel ärgerte ihn; er fürchtete den Koch zu kränken, einen Meister, dessenKunst Edwin normalerweise geschätzt hätte. Er entfernte

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