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Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Titel: Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Koeppen
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gelassen haben, sie hat ihr Geld zusammengehalten, sie hat nie auf eigene Kosten getrunken, sie hat immer nur auf Kosten der Männer getrunken, ich werde nicht aufhören, auf eigene Kosten zu trinken.‹ Der Hund wedelte. Er war sehr klug. Man sah es ihm nicht an, aber er war klug. Er ahnte, daß er das menschliche Wesen, das sich nun seiner angenommen hatte, rühren konnte. Er würde die Frau beherrschen. Die Aussicht zu herrschen war hier viel günstiger als bei den Kindern, die unberechenbare launische Götter waren. Die neue Göttin war eine gute Göttin. Der Hund war, wie der Psychiater Behude, der Meinung, daß Emilia ein guter Mensch sei. Emilia wird den Hund nicht enttäuschen. Schon ist sie entschlossen, ihn mit nach Hause zu nehmen. »Du bleibst bei der Tante«, sagte sie. »ja, mein Guter, ich weiß, wir trennen uns nicht mehr.«
    Im Stehausschank des Italieners beugte sich Richard über die Theke. Wo war er hingeraten? Er war da so reingegangen. Die Tür hatte offengestanden. Er hatte den Laden für einen Drugstore gehalten. Er hatte gedacht vielleicht ist ein Mädchen dort, es wäre nett, wenn ich am ersten Abend in Deutschland ein deutsches Mädchen hätte‹. jetzt war er auf ein Schlachtfeld geraten. Flaschen, Gläser und Korkenzieher wurden zu Bastionen und rollenden Panzern, Zigarettenpackungen und Zündholzschachteln zu Luftgeschwadern. Der italienische Besitzer des Stehausschankes war ein wütender Stratege. Er zeigte dem jungen amerikanischen Flieger, wie man Europa verteidigen müsse. Von der geglückten Verteidigung ging er zum Angriff über und löschte den Osten aus. »Nehmt doch ein paar Bomben«, rief er.»Nehmt ein paar Bomben, und ihr habt gesiegt!« Richard trank einen Wermut. Er merkte verwundert, daß der Wermut bitter schmeckte. Er schmeckte wie bitteres Zuckerwasser. Vielleicht hat der Kerl recht‹, dachte Richard, ›es ist so einfach, ein paar Bomben, vielleicht hat er recht, warum kommt Truman nicht auf die Idee? ein paar Bomben, warum macht man es im Pentagon anders?‹ Aber dann fiel Richard etwas ein; es fiel ihm etwas aus der Geschichtsstunde ein, oder aus den Zeitungen, die er gelesen, oder aus den Reden, die er gehört hatte. Er sagte: »Das hat doch Hitler schon getan, das haben doch die Japaner schon gemacht: einfach angreifen, so einfach über Nacht angreifen -« - »Hitler hat recht gehabt«, sagte der Italiener. »Hitler war ein großer Mann!« - »Nein«, sagte Richard, »er war ein abscheulicher Mann.« Richard wurde blaß, weil es ihm peinlich war, sich zu streiten, und weil er sich ärgerte. Er war nicht hergekommen, um sich zu streiten. Er konnte sich nicht streiten; er wußte nicht, was hier vorging. Vielleicht sahen hier die Leute alles ganz anders an. Er war aber auch nicht hergekommen, um seine amerikanischen Grundsätze zu verleugnen; die Grundsätze, auf die er so stolz war. »Ich bin nicht hier, um wie Hitler zu handeln«, sagte er. »Wir werden niemals wie Hitler handeln.« - »Sie werden müssen«, sagte der Italiener. Er warf wütend die Bastionen, die Panzer und die Luftgeschwader durcheinander. Richard brach das Gespräch ab. »Ich muß ins Bräuhaus«, sagte er. Er dachte ›man verliert hier jeden Halt‹.
    Der Krieger, der kein Krieger hatte sein wollen, der Töter, der nicht hatte töten wollen, der Erschlagene, der von einem gemächlicheren Tod geträumt hatte, er lag auf dem harten Bett im Heiliggeistspital, er lag in einer weißgekalkten Kammer, in einer Mönchszelle, er lag unter einem Kreuz mit dem Gekreuzigten daran, eine Kerze brannte zu seinem Haupt, ein Priester kniete neben ihm, eine Frau kniete mit einem viel strengeren Gesicht als der Geweihte Gottes hinterdem Priester, die Vertreterin einer unerbittlichen Religion, die selbst das Sterben noch als Sünde betrachtete, so verhärtet war ihr Herz, ein kleines Mädchen stand vor ihm und starrte ihn an, und immer mehr Polizeibeamte drängten sich wie Statisten in die enge Kammer. Auf der Straße heulten die Polizeisirenen. Das Viertel wurde durchsucht. Die deutsche Polizei und die amerikanische Militärpolizei suchten den großen Odysseus. Der Todesengel hatte längst die Hand auf Josef gelegt. Was gingen ihn die Sirenen an? Was kümmerten ihn die Polizisten zweier Nationen und zweier Erdteile? Als Josef arbeitete, war er der Polizei aus dem Wege gegangen. Die Polizei brachte nie etwas Gutes. Sie brachte Stellungsbefehle oder Vermahnungen. Am besten war es gewesen, wenn niemand nach Josef

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