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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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Zicke!«, stellte Emil flüsternd fest. »Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.« Trotzdem bewegte er sich ein paar Leitersprossen nach unten und drückte seine Mutter kurz und innig.
    »Benimm dich!« Ein weniger tantenhafter Spruch wäre sicher besser gekommen, das wusste Wencke, aber sie stand |74| neben sich, wollte weder clever noch witzig noch sonst was sein. Sie wollte einfach nur von hier verschwinden.
Ich pack das alles nicht mehr   …
hatte Axel das wirklich gesagt? Das war dann also der Schlusstrich. Eine klare Aussage.
    Sie schaffte es sogar noch, Kerstin in der Küche eine kurze Umarmung zuteil werden zu lassen.
    »Na dann…« Das Abenteuer konnte beginnen.
    »Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte Axel leise.
    »Musst du nicht«, antwortete sie. »Solltest du aber.«
    Draußen vor dem Einfamilienhaus wartete ein Dienstwagen mit Schweriner Kennzeichen, den hatte man ihr bereits besorgt. Ein schwarzes Audi TT Cabrio. Wencke hatte sich noch nie für Autos begeistern können, sie waren ihr egal. Aber heute fühlte es sich richtig gut an, in eine solche Kiste zu steigen und mit quietschenden Reifen das alte Leben hinter sich zu lassen.
    Sie war jetzt Christine Frey. Und sie hatte einen dringenden Friseurtermin.

|75| Die Sechs
steht als Zahl für Unvollkommenheit und Rebellion
    Draußen vor dem Hotel knurrten die Bikes wie eine Herde Raubtiere. Und Boris war angst und bange, dass er dann so etwas wie das Leckerli war. Zwar meinte Kalle, es könne auch ein Zufall sein, das ehemalige Industriegelände rund um den Speicher, in dem sich nun eine First-Class-Herberge befand, wäre schon immer für Paraden dieser Art genutzt worden. Doch Boris blieb skeptisch. Was, wenn die Rocker ihn im Visier hatten?
    Er wusste aus eigener Erfahrung, wie unangenehm es werden konnte, sich mit Kuttenträgern aller Art anzulegen. So hielt er sich vorsichtshalber hinter der Gardine verborgen und beobachtete den Konvoi, der sich die brüchige Uferstraße entlangschob, aus sicherer Distanz, der Sitzungssaal lag glücklicherweise im zweiten Stock.
    Die Biker hupten, sie reckten ihre Fäuste in die Höhe. Die Luft am Ufer des Ziegelsees flimmerte, was nicht an den sommerlichen Temperaturen liegen konnte, die waren noch moderat. Es waren die heißen Motoren, die durchdrehenden Reifen und wahrscheinlich auch die hitzige Wut.
    »Das sind die
Gangster
, die regen sich auf wegen unserer Rachegelüste«, sagte Kalle, der sich unbeeindruckt in einen der Besprechungssessel hatte sinken lassen. »Mach dir nicht in die Hose, Junge. Ich bin auch hier reingekommen, ohne dass sie mich in Stücke gerissen haben. Sie sind so mit sich |76| und ihrem Mist beschäftigt, da lassen sie Milchbubis wie dich in Ruhe.«
    Kalle war alles andere als ein Milchbubi. Er hieß eigentlich Karl-Heinz Papp, ging auf die sechzig zu, sein grauer Vollbart reichte bis zum Bierbauch, und die Falten in seinem Gesicht waren markiger als die schlechte Pflasterung der ostdeutschen Seitenstraßen. Seit zwanzig Jahren war er Rocker, erst bei den
Flying Foxes
, die dann vor einigen Jahren von den
Devil Doves
zwangseingemeindet wurden. Ungefähr halb so lange, nach einem Gefängnisaufenthalt wegen Körperverletzung und Drogenhandel, war Kalle nebenbei auch noch V-Mann des hiesigen LKA.   Er habe nichts zu verlieren, kommentierte er sein Doppelleben. An die Brüder glaube er nicht mehr, nachdem sie ihm damals zu unrecht die Schuld in die Schuhe geschoben und in den Knast geschickt hatten. Aber eine andere Familie gäbe es für ihn nun mal nicht. Man sah ihm nicht an, ob er mit dieser Situation unzufrieden war. Dazu war er einfach zu abgestumpft.
    »Wann kommt denn Ihre Lady?«, wollte er jetzt wissen. »Ich muss gleich zum Meeting antanzen. Es geht um den scheiß Brand.
Mighty Mäxx
hat ein neues Clubhaus am Start, nur zwei Kilometer weiter von hier direkt am Seeufer. Geile Hütte.«
    »Keine Sorge, bis dahin sind wir hier sicher fertig. Christine Frey ist nämlich rein zufällig die Besitzerin der Hütte.« Es war üblich, V-Männern wie Kalle nichts über die wahre Identität der verdeckten Ermittler zu erzählen, auch für ihn sollte Wencke als Verpächterin auftreten. Schließlich arbeitete er für das Kriminalamt Meckpomm, wo niemand ahnte, dass Hannover noch mitmischte. Zwar war kaum davon auszugehen, dass Kalle etwas ausplaudern würde, wenn er nicht danach gefragt wurde, denn das würde ihn selbst auffliegen lassen, aber sicher war sicher.
    |77| »Eine

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