Tausche Glückskeks gegen Weihnachtswunder (German Edition)
pustete uns entgegen. Moderne Weihnachtsmusik wurde gespielt und vor den Umkleiden bildeten sich lange Schlangen. Auf einem reduzierten Ständer fanden wir zwei langärmelige T-Shirts im Schwesternlook. Wir kauften sie und kamen aus dem Laden, als mir der Atem stockte.
Genau vor uns liefen Mama und Udo über den Bürgersteig. Mich traf es wie ein Schlag. Wieso ging Mama mit dem falschen Mann aus? Immerhin hatte sie gestern Abend noch mit Michel einen Tee getrunken. Michel hatte sich am Wochenende am Rodelhang um ihre Sicherheit gesorgt, nicht Udo.
Udo winkte uns zu: »Hallo, ihr beiden«, rief er gut gelaunt, ganz so, als würde er nicht unser Weihnachtswunder vernichten.
»Hallo«, sagte ich lahm. Sina brachte kein einziges Wort heraus, so entsetzt war sie. Die anderen Fußgänger schoben sich um uns herum.
»Ist das voll heute in der Stadt«, sagte Udo, wie um das Schweigen zu brechen.
Genau, dachte ich. Viel zu voll. Aber hier ist eine Person, die sofort und auf der Stelle verschwinden könnte. Man nennt ihn auch den Waldschrat.
Wieso musste Udo mit Mama einkaufen gehen? Hatten sie vielleicht sogar Händchen gehalten, bevor wir sie entdeckt hatten? Würde Mama Udo sogar am Heiligabend zu unserer Bescherung einladen? Und würde er, der Gedanke war der schrecklichste, demnächst bei uns übernachten? Ich fasste Sinas Hand und stieß »Wir müssen los, tschüss« hervor und dann drängten wir uns durch die Fußgänger, die uns entgegenkamen, als seien wir auf der Flucht.
Das Klingeln meines Handys schreckte mich auf. Mir kam es so vor, als sei es mitten in der Nacht. Es war noch stockfinster. Schlaftrunken hielt ich es mir ans Ohr: »Wer weckt mich?«, rief ich und gähnte.
»Grete«, hörte ich die Stimme meiner ABF , die schon hellwach zu sein schien, »heute ist der letzte Tag, an dem sich unsere Eltern in der Schule nach dem Konzert sehen werden. Wenn überhaupt! Die Aula wird voll sein. Wir müssen etwas unternehmen, sonst …« Sie zögerte einen Moment, dann sagte sie es: »… sonst war es das mit unserem Weihnachtswunder.«
Ich setzte mich im Bett auf. Schlechte Nachrichten konnte ich so gar nicht gebrauchen, zum Wachwerden schon überhaupt nicht. Ich seufzte. Aber meine ABF hatte ohne Frage recht. Ich strich mir meine vom Schlaf zerzausten Haare zurück. »Was sollen wir machen?«, fragte ich.
»Das frage ich dich«, rief Sina in den Hörer. »Wenn uns nicht bald etwas Geniales einfällt, dann wünschen sie sich nach dem Konzert frohe Weihnachten und das war’s dann.«
Die Vorstellung war schrecklich, und das Aller schlimmste: Sie war ziemlich realistisch. Mir schossen lauter verrückte Ideen durch den Kopf. »Wie ist das?«, fragte ich, während ich meine Bettdecke zurückschlug. »Michel kommt als Überraschungsgast auf die Bühne, und er bringt Mama ein Ständchen, woraufhin sie so gerührt ist, dass sie ihm vor der versammelten Schule in die Arme sinken wird.«
»Das ist ganz wunderhübsch«, tönte Sinas Stimme aus dem Hörer, »es ist nur so, dass mein Vater bestenfalls in der Dusche singt, aber nie vor fremden Leuten.«
Ich zog mir meinen Bademantel und dicke Socken an und setzte mich an meinen Schreibtisch. »Gut, dann müssen wir einen falschen Feueralarm auslösen«, sagte ich und drückte mit dem Bleistift den Schalter meiner Schreibtischlampe an. »Michel denkt dann, es gibt eine echte Gefahr, aus der er meine Mutter retten muss.« Ich stellte mir vor, wie Michel Mama im Flackern der roten Feueralarmlampen auf seine Arme nehmen und sie aus der vermeintlichen Gefahr tragen würde. »Na, wie ist das?«, fragte ich meine ABF , während ich kleine Herzen auf ein Blatt Papier kritzelte.
»Das ist ganz großartig, wenn man von der Schule fliegen will«, meldete Sina nüchtern. »Ansonsten sollte man keinen Fehlalarm in der voll besetzten Aula auslösen.«
Es war wirklich nicht einfach, meine ABF heute Morgen von etwas zu begeistern. Aber ich versuchte es erneut. »Ich hab’s. Wir müssen einen Liebesbrief fälschen, in dem meine Mutter Michel ihre Liebe gesteht. Den stecken wir unbemerkt Michel zu, woraufhin er ihn liest und ihr seine Gefühle gesteht.«
»Grete.« Sinas Stimme klang so, als ob sie gleich die Geduld verlieren würde. »Wer sollte uns den Liebesbrief denn schreiben?«, wollte sie wissen. »Deine und meine Handschrift sind so was von anders als die deiner Mutter. Auf den Trick fällt mein Vater niemals rein.«
Ich zuckte die Schultern. »Dann müssen wir den
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