Tausendschön
wurden. Mit der anderen Hand riss er das Papier an sich. » Sonst noch was?«, blaffte er.
Margareta schüttelte den Kopf. » Im Moment nicht. Aber ich behalte Sie im Auge. Passen Sie auf, wie Sie sich in Zukunft gegenüber Ihren Kolleginnen verhalten. Versuchen Sie, das hier als einen Neuanfang zu betrachten, als zweite Chance. Ergreifen Sie die Möglichkeit, aus der Sache etwas herauszuholen, vor allem aus dem Gespräch mit dem Psychologen.«
Peder nickte stumm und verließ das Zimmer. Er war sich sicher, dass er die alte Schachtel totschlagen würde, wenn er auch nur eine Sekunde länger bliebe.
Alex Recht und Joar Sahlin fuhren schweigend die kurze Strecke vom Polizeihaus auf Kungsholmen zur Kirche von Bromma, wo Jakob und Marja Ahlbin tätig gewesen waren. Sie wollten um halb drei Pfarrer Ragnar Vinterman im Gemeindehaus treffen.
Alex’ Gedanken wanderten zu Peder. Er wusste, dass er während der Besprechung in der Löwengrube hart zu ihm gewesen war, doch er hatte keine Ahnung, wie er sich anders hätte verhalten sollen. Die Röllchengeschichte war ebenso bizarr wie inakzeptabel und zeugte von miserablem Sozialverhalten. Alex wusste natürlich, dass der Mann es eine ganze Zeit lang privat sehr schwer gehabt hatte. Natürlich beeinträchtigte so etwas das alltägliche Verhalten, und wenn Peder nur ein einziges Mal angedeutet hätte, dass es ihm bewusst wäre, wie schlecht er sich benahm, dann wäre ihm vielleicht milder begegnet worden. Doch das war nicht der Fall gewesen. Peder brachte sich immer häufiger in peinliche Situationen und versetzte damit auch seinen Chef in eine unangenehme Lage den anderen Kollegen gegenüber.
Und den Kolleginnen gegenüber.
Alex unterdrückte ein Seufzen. Zu allem Überfluss hatte Peder ein ausgesprochen schlechtes Timing. Der Fortbestand des Ermittlerteams wurde infrage gestellt, und das Letzte, was sie jetzt brauchten, waren negative Schlagzeilen. Es reichte schon, dass die einzige Zivilangestellte, die überdies auch noch die einzige Frau unter den Ermittlern war, aufgrund einer schwierigen Schwangerschaft, die die Chefs von Alex zunächst für ein Zeichen von Burnout gehalten hatten, gezwungen war, in Teilzeit zu gehen. Er war mehr als dankbar gewesen, als Fredrika eines Tages endlich nachgegeben und, durch eine Diagnose unterstützt, die ärztlich empfohlene Reduzierung ihrer Arbeitszeit akzeptiert hatte.
Gleichzeitig hatte die Gruppe in Joar – zwar nur für eine begrenzte Zeit, aber doch immerhin – Verstärkung erhalten. Diese Entscheidung deutete darauf hin, dass sie noch nicht vollends abgeschrieben waren.
Alex hatte Joar schon früh als einen ungewöhnlich begabten Ermittler kennengelernt. Im Unterschied zu Peder und Fredrika machte er außerdem einen mental stabilen Eindruck. Er war weder so aufbrausend wie Peder, noch schien er eine Tendenz zu haben, alles Mögliche falsch zu interpretieren, wie Fredrika es gerne tat. Er strahlte Ruhe aus, und seine Integrität schien unendlich. Zum ersten Mal seit mehreren Monaten hatte Alex das Gefühl, an seinem Arbeitsplatz einen vernünftigen Gesprächspartner zu haben.
» Darf man nach dem Namen Recht fragen?«, unterbrach Joar ihn in seinen Gedanken. » Ist er deutsch?«
Alex musste lächeln. Die Frage war ihm schon oft gestellt worden. » Wenn man den Stammbaum weit, weit zurückverfolgt, dann ist es wohl so«, antwortete er. » Ein jüdischer Name.« Er sah zu Joar hinüber, doch der reagierte nicht. » Aber das ist, wie gesagt, lange her. Die Männer, die einst diesen Nachnamen trugen, heirateten christliche Frauen, und das jüdische Blutsband zwischen Mutter und Kindern wurde durchbrochen.«
Sie näherten sich der Kirche. Alex parkte vor dem Gemeindehaus. Ein hochgewachsener Mann mit Talar und Beffchen stand auf der Treppe und erwartete sie. Wie eine dunkle Statue zeichnete er sich gegen das weiße Gebäude im Hintergrund ab. Respekteinflößend, urteilte Alex, noch ehe er aus dem Auto ausgestiegen war.
» Ragnar Vinterman«, sagte der Pfarrer, als er Alex’ Hand und dann die von Joar ergriff. Er konnte noch nicht lange auf der Treppe gestanden haben; seine Hand war warm. Und groß. Noch nie hatte Alex so große Hände gesehen.
» Lassen Sie uns hineingehen«, sagte Ragnar Vinterman mit sonorer Stimme. » Alice, unsere Gemeindesekretärin, hat Kaffee gekocht.«
Auf einem der größeren Tische im Gemeindehaus standen bereits Kaffeetassen und eine Platte mit dicken Zimtschnecken. Ansonsten war der Raum fast
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