Tausendschön
zunächst ohne Angst dabei zu empfinden.
Die Angst kam erst, als er anfing zu reden.
» Your bag«, zischte er und drohte ihr mit dem Messer. » Your bag.«
Am liebsten wäre sie an Ort und Stelle in Tränen ausgebrochen. Nicht nur wurde sie zum ersten Mal in ihrem Leben ausgeraubt, sondern nun drohten ihr noch mehr Probleme. In der Tasche lag alles. Brieftasche, Kreditkarte, Handy. So hatte sie es während der ganzen Reise gehalten. Ihre Wertgegenstände im Hotel zu lassen, statt sie bei sich zu tragen, hatte sie als zu riskant empfunden. Der Laptop war die einzige Ausnahme gewesen. Den hatte sie nicht ständig mit sich herumtragen wollen. Doch der Laptop enthielt auch keinerlei relevante Information.
Sie merkte, wie sie den Atem anhielt. Die Tasche war ihr langsam von der Schulter gerutscht und über dem Arm hängen geblieben.
» Quick, quick«, mahnte der Typ mit dem Messer und bedeutete ihr mit der freien Hand, dass sie ihm die Tasche aushändigen sollte.
Als sie nicht sofort tat, was er verlangte, sprang er auf sie zu und zwang sie, zwei rasche Schritte rückwärts zu machen, um nicht das Messer in den Arm zu bekommen. Sie stolperte über eine Unebenheit im Asphalt und fiel hin. Die Tasche landete auf dem Boden, und im nächsten Moment stürzte der Typ sich darüber, riss den Reißverschluss auf und durchforstete eilig den Inhalt.
» USB «, sagte er auffordernd.
Sie starrte ihn verständnislos an.
» USB «, brüllte er. » Where is it?«
Sie schluckte schwer und schüttelte dann schnell den Kopf.
» Ich habe keinen«, antwortete sie auf Englisch und rutschte, immer noch am Boden, langsam auf dem Bürgersteig rückwärts.
Der Mann beugte sich vor und riss sie auf die Füße. Sie kämpfte, um loszukommen, wand sich wie eine Schlange. Dann wieder das Messer. Er drückte es an ihr Gesicht, und ihr ganzer Körper bebte, als sie das kühle Metall auf der Haut spürte.
Mit Betonung auf jeder Silbe fragte er wieder: » Where is it?«
Eine kurze Stille entstand, als sie panisch ihre Alternativen überdachte. Doch als sie sah, wie aggressiv und gleichzeitig kontrolliert der Mann sie ansah, begriff sie, dass sie keine Möglichkeiten hatte. Er wusste einfach viel zu gut, worauf er aus war.
Langsam tastete sie mit den Händen nach der Halskette und dem USB -Stick. Der Mann hielt sie immer noch fest gepackt. Als er erkannte, was sie tat, griff er nach der Kette. Sie riss, der USB -Stick fiel zu Boden, und er stürzte hinterher.
Sie würde keine zweite Chance zur Flucht bekommen.
Sie lief, so schnell sie konnte. Die Sandalen hallten über den Asphalt. Wenn sie es nur bis zur Sukhumvit schaffte, dann war sie sicher.
» Stop!«, schrie der Mann hinter ihr. » Stop!«
Aber sie hielt nicht an, das wäre lebensgefährlich, das war ihr inzwischen klar. Dieser Mann hatte einen Auftraggeber, und er war nicht nur angewiesen worden, sie zu berauben. Gewöhnliche Handtaschendiebe durchsuchten ihre Beute nicht nach einem USB -Stick. Wie hätte er auch davon wissen sollen? Woher wusste er, dass es einen USB -Stick gab, nach dem sich zu suchen lohnte?
Sie rannte den ganzen Weg zurück zum Hotel. Sie nahm sogar einen Umweg in Kauf, nur um ausschließlich auf großen Straßen bleiben zu können. Sie wusste nicht, wann genau er aufhörte, sie zu verfolgen, doch nach ein paar Minuten auf der Sukhumvit hörten seine Rufe auf.
Sie drehte sich erst um, als sie schweißgebadet und der Ohnmacht nahe in der Hotellobby stand. Er war ihr nicht gefolgt.
Verzweifelt ließ sie sich auf den Boden sinken.
Ein Wachmann und eine Frau von der Rezeption kamen auf sie zugeeilt. Ob es ihr nicht gut gehe? Ob sie Hilfe benötige?
Sie wünschte von ganzem Herzen, dass sie ihnen einfach ihre Geschichte erzählen könnte. Sie war unendlich erschöpft und wollte sich nicht länger an die Vorsichtsmaßnahmen halten. Plötzlich schien es ihr eine unglaublich dumme Idee gewesen zu sein, ganz allein zu reisen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Hatte sie die Risiken nicht gesehen und die Gefahr nicht erkannt, als sie sich ihr genähert hatte?
» Ich bin überfallen worden.«
Das Hotelpersonal war bestürzt. Überfallen? Am helllichten Tag – in Bangkok? Eine weiße Frau? Sie sahen schockiert aus. So etwas habe man ja noch nie gehört. Die Frau von der Rezeption ging, um etwas Wasser zu holen, und der Wachmann rief die Polizei.
» Brauchen Sie sonst noch etwas?«, fragte die Rezeptionistin sanft.
» Nein«, antwortete sie und versuchte zu
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