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Tausendschön

Tausendschön

Titel: Tausendschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ohlsson
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Urteil übermittelte. » Aber mehrere Stunden am Tag? Ausgeschlossen. Sie werden solche Schmerzen haben, dass es auf lange Sicht nicht auszuhalten sein wird. Und gleichzeitig werden Sie riskieren, den Arm überzustrapazieren und damit vollends unbrauchbar zu machen.«
    Natürlich hatte er die Dimension dessen, was er da sagte, nicht begriffen. Er lebte in der irrigen Annahme, sie wäre dankbar und glücklich, dass sie überhaupt überlebt hatte. Dass sie Glück darüber empfinden würde, bei dem Unfall nicht ums Leben gekommen zu sein, so wie der Bruder ihrer Freundin. Doch solche Gefühle gab es nicht in ihr.
    Damals ebenso wenig wie heute, dachte Fredrika, als sie in ihrer stillen Wohnung auf dem Sofa saß.
    Sie hatte niemals nur zum Spaß Geige gespielt, sondern um es zu ihrem Lebensstil zu machen, zu ihrem Beruf. Und seit dem Unglück hatte sie überhaupt nicht mehr gespielt. Die Geige lag ungestimmt ganz hinten im Schrank.
    Fredrika strich sich leicht über den Bauch, in dem das Kind lag. » Wenn du mich richtig nett bittest, werde ich dir eines Tages vielleicht etwas vorspielen«, flüsterte sie. » Vielleicht.«
    Als Alex nach Hause kam, war es bereits achtzehn Uhr. Seine Frau Lena begrüßte ihn an der Tür. Im Flur roch es nach Knoblauch. » Wir machen uns heute einen italienischen Abend«, sagte sie und lächelte leicht, als er sie küsste. » Ich habe Wein geholt.«
    » Haben wir etwas zu feiern?«, fragte Alex erstaunt. Sie tranken selten mitten in der Woche Wein.
    » Nein, ich fand einfach nur, dass es mal wieder an der Zeit wäre«, antwortete Lena. » Außerdem bin ich heute früher von der Arbeit nach Hause gekommen.«
    » Ach so? Ist irgendetwas passiert?«
    » Nichts Besonderes, es hat sich einfach die Gelegenheit ergeben.«
    Ihr Lachen klang jetzt ein bisschen grell.
    Alex sah die Post durch. Sie hatten eine Postkarte von ihrem Sohn aus Südamerika bekommen.
    » Schöne Karte!«, rief er in Richtung Küche.
    » Ja, ich habe sie auch gesehen«, antwortete Lena. » Man freut sich doch, wenn er sich meldet, oder?«
    Und wieder dieses seltsame Lachen.
    Alex trat in die Küche und betrachtete ihren Rücken. Sie war immer schon die Offenherzige und Schöne von ihnen beiden gewesen. Sie hätte jeden haben können, aber sie hatte ausgerechnet Alex ausgewählt – und das, obwohl er schon als junger Mann graue Strähnen im Haar und Falten auf der Stirn gehabt hatte. Aus irgendeinem Grund hatte es sich auf ihn nicht nur positiv ausgewirkt, dass sie sich ihn ausgesucht hatte. Im Laufe der Jahre war er manchmal unglaublich eifersüchtig gewesen, wenn andere Männer ihr zu nahe gekommen waren oder wenn er sich in irgendeinem Zusammenhang unzureichend gefühlt hatte. Die Eifersucht war für sie beide zum Problem geworden – und für ihn eine Schande. Was war nur mit ihm los, dass er Lena nicht vertraute? Die ihm doch ein fantastisches Zuhause und zwei wunderbare Kinder geschenkt hatte?
    Mit den Jahren war die Sicherheit zurückgekommen, was bestimmt auch mit seiner Arbeit zu tun gehabt hatte. Der Beruf hatte ihm eine gute Intuition verliehen, und mit deren Hilfe konnte er in fast allen Fällen die Dämonen überwinden, die ihn mit der Fantasie zu reizen versuchten, dass seine Frau ihn hinterging.
    Die Intuition brachte ihm auch Gewissheit. Die Gewissheit, wann alles gut war und wann es nicht gut war.
    Und diesmal war es nicht gut.
    Das Gefühl hatte sich schon vor einigen Wochen eingeschlichen. Sie redete anders, fuchtelte auf eine Weise mit den Armen, die er noch nie an ihr bemerkt hatte. Sie redete laut und lange über Dinge, die ihnen beiden fremd waren. Über Orte, die sie bereisen wollte, und über Menschen, von denen sie hoffte, dass sie den Kontakt zu ihnen nicht verlieren würden. Und dann das Lachen, das sich oft blitzschnell von einem tiefen und inniglichen zu einem gellenden und oberflächlichen verwandelte.
    Als er sie beobachtete, fand er, dass sogar ihre Haltung anders war, irgendwie steifer. Und sie zuckte zusammen, wenn er sie berührte, lachte ihr neues Lachen und entzog sich ihm. Manchmal klingelte ihr Handy, und dann ging sie in ein anderes Zimmer, um zu sprechen.
    » Kann ich dir helfen?«, fragte er ihren Rücken.
    » Du kannst den Wein aufmachen«, antwortete Lena, ohne aufzublicken. Sie versuchte, fröhlich und locker zu klingen.
    Sie versuchte es. Das war genau der Punkt. Sie versuchte, sie selbst zu sein, wie man eine schwierige Theaterrolle spielte, die einem jemand aufgedrückt hatte.

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