Tausendschön
ganzer Seele, dass dieses Mädchen nicht an einer Überdosis gestorben ist.«
Fredrika sah Elsie misstrauisch an. Sie zögerte, sortierte die Gedanken. Elsie Ljung enthielt ihr noch immer irgendetwas vor, das spürte sie nur zu deutlich. Und als wäre Hiob nicht schon genug gewesen, hatten sie es jetzt auch noch mit einem Lazarus zu tun.
Die kleine weiße Tablette störte ihn wie eine Fliege in der Nacht. Er starrte sie wütend an und wünschte sich, dass sie sich vor seinen Augen in Luft auflösen möge.
» Die musst du heute Abend vor dem Schlafengehen nehmen«, hatte der Mann, der Arabisch konnte, gesagt, ehe sie ihn allein gelassen hatten. » Sonst wirst du morgen zu müde sein, um deinen Auftrag erfüllen zu können.«
Sie hatten ihn am Abend zuvor in der neuen Wohnung zunächst allein gelassen und waren am Nachmittag darauf wiedergekommen, um ein letztes Mal den folgenden Tag durchzusprechen. Irgendwo in all dem Elend empfand er eine große Erleichterung. Seine Reise näherte sich ihrem Ende, und bald würde er ein schuldenfreier Mann sein, der wieder mit seiner Frau vereint wäre und sich endlich auch bei seiner übrigen Verwandtschaft melden und ihnen sagen könnte, dass es ihm gut ging. Ebenso bei seinem Freund, der in Uppsala auf ihn wartete.
Es beunruhigte ihn, dass der Freund irgendwo saß und sich bestimmt fragte, warum er nichts von sich hören ließ. Sie hatten ihm unter allen Umständen verboten, Verwandten oder Freunden zu verraten, wohin er reisen würde. Und er hatte gegen diese Regel verstoßen. Er hatte etwas versprochen, das er nicht gehalten hatte. Wenn nur sein Freund nicht nach ihm suchte! Es wäre verhängnisvoll, wenn plötzlich jemand Fragen stellen und damit, ohne es zu wollen, seinen heimlichen Aufenthalt im Land ans Licht bringen würde. Wenn sein Betrug bekannt würde, wäre die Strafe hart, das wusste er.
Sein Herz schlug immer heftiger, je größer die Angst wurde. Es war doch erst später Nachmittag, wie sollte er es nur bis zum Morgen aushalten? Am liebsten wäre ihm, wenn das Projekt schon im Laufe des Tages abgeschlossen wäre. Dann könnte er die folgende Nacht befreit verbringen. Doch ihm war klar, dass das nicht sehr wahrscheinlich war.
Sie würden am nächsten Morgen um neun Uhr kommen und ihn rauslassen. Dann würde er auch seinen Kompagnon kennenlernen, der das Fluchtauto fuhr. Sie würden gemeinsam zu dem Ort fahren, wo der Raubüberfall stattfinden sollte.
Er überflog wieder und wieder den Zettel, den sie auf dem Couchtisch zurückgelassen hatten. » Västerås«, stand darauf, was auf Arabisch gar nichts bedeutete. Er fragte sich, was es wohl auf Schwedisch hieß.
Nach dem Raubüberfall sollten er und der Helfer zurück nach Stockholm fahren und sich mit den anderen treffen, ein Stück von dem großen weißen Ball entfernt, den er vom Auto aus gesehen hatte. Globen. Wenn die Beute erst übergeben wäre, würde er ein freier Mann sein.
» Du tust es für deine Landsleute«, hatten sie zu ihm gesagt. » Wir brauchen dieses Geld, um unsere Arbeit zu finanzieren. Der schwedische Staat will für unsere Tätigkeit nicht bezahlen, also nehmen wir das Geld von denen, die genug davon haben.«
Diese Logik war alt und wohlbekannt. Man nahm von den Reichen und gab den Armen. Seine ganze Jugend lang hatte er Geschichten davon gehört, und am häufigsten von seinem Großvater, der als Einziger in der gesamten Verwandtschaft schon einmal die USA besucht hatte. Er hatte unglaubliche Geschichten davon erzählt, wie viel Geld die Menschen dort besaßen und was sie damit taten. Er erzählte von Autos, die so breit waren wie der Tigris, und von Häusern, die so groß waren wie Saddams Palast und die doch von ganz gewöhnlichen Menschen bewohnt wurden. Von Universitäten, die allen offenstanden, aber sagenhaft viel Geld kosteten. Und von großen Ölfeldern, die nicht der Staat besaß, sondern jemand anderes.
Großvater sollte mich jetzt sehen, dachte Ali. In einem Land, das fast so reich ist wie die USA , nur ein bisschen kälter.
Er schauderte und kauerte sich auf dem Sofa zusammen. Zwar hatte er noch keine breiten Autos oder Paläste gesehen, doch das spielte keine Rolle, denn wie alle anderen, die er kannte, war er sich einer Sache sicher: Schweden war das Land, in dem man am liebsten neu anfangen wollte.
Er betrachtete die Tablette und wusste, dass er sie nehmen musste, sonst würde er nie einschlafen. Ein guter Nachtschlaf aber war die Voraussetzung dafür, dass er am
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