Tausendstern
plötzlich, hörten sie auf. Das Gitter war losgerissen!
Windblume warf das Gitter ins Wasser. Sie zog ihre Wurzeln aus Heems Körper. Auch das war schmerzhaft. Doch er hatte das Schlimmste überstanden, und seine Haut war nicht wirklich beschädigt worden.
Sie folgten der Röhre, bis sie an ihr Ende und in eine andere Passage gelangten. Sie hatten das Abwassersystem überwunden! Windblume zog noch immer das Seil hinter sich her. Jetzt verankerte sie ihre Wurzeln im Boden der neuen Passage, war jedoch nicht imstande, das Seil einzuholen. Ihre oberen Ranken waren zwar dazu geeignet, Dinge zu halten, doch nicht, eine Last heranzuziehen.
»Das können wir übernehmen«, sagte Jessica zu Heem. »Lege das Seil auf den Boden, rolle auf ihm entlang und wickle es dabei um dich auf, wie eine Spule - begreifst du, was ich meine?«
»Nein.« Heem hatte noch nie eine Leine benutzt. Sie formte ein Bild für ihn, und plötzlich war es ihm klar. Heem plazierte sich auf einem losen Teil der Leine, rollte dann auf ihr entlang bis zu der Stelle, wo sie ins Wasser eintrat. Hier lag das Seil in einer Art Schleifenform. Er schob seinen Körper in diese Schleife, bildete eine Kerbe in seinem Rücken und ließ die lockere Leine in diese Kerbe gleiten.
»Wie ein Yo-Yo«, sagte Jessica und ließ eine Darstellung davon aufblitzen. »Jetzt krümme dich um die Leine, halte sie fest, und dann ziehe sie aus dem Wasser.
Heem folgte ihrer bildhaften Anweisung. Er konnte sich umdrehen und das in der Kerbe verankerte Seil mit sich ziehen. Als er vom Wasser wegrollte, straffte die Leine sich. Jetzt drückte er seinen Körper nach vorn, und die straffe Leine mußte sich über ihn hinweg unter ihn winden, wo sie von seinem Gewicht festgehalten wurde. Er war tatsächlich wie die Spule, die sie ihm bildhaft dargestellt hatte, holte die Leine ein, ohne sie tatsächlich zu umfassen. Oder wie die Gleiskette eines Traktors, die von seinem Antriebsrad aufgespult wurde. Es war harte Arbeit, von der seine Haut aufgescheuert wurde, doch er wußte, daß sie notwendig war. Er zog wieder und wieder.
Endlich tauchte der Squam neben dem Erb aus dem Wasser. Mit einer ihrer Scheren hatte sie sich an der Leine festgeklammert, in einer anderen hielt sie ihren Übersetzer. Ihre vorderen und hinteren Extremitäten schleppten hinterher. »Meine Anerkennung euch beiden«, sprühte und blinkte der Übersetzer, der durch das Bad keinerlei Schaden gelitten hatte. »Ich hätte mich aus eigener Kraft nie durch das Wasser bewegen können. Meine Schallorientierung ist in einem flüssigen Medium absolut unbrauchbar.«
»Was einer der Gründe dafür ist, daß deine genau treffenden Nadeln einen Squam völlig hilflos machen können«, kommentierte Jessica. »Squams sind sehr stark von ihrem Gehör abhängig, und Wasser an den falschen Stellen nimmt ihnen diesen Sinn.«
Der Erb zog ihre Wurzeln aus dem Boden und streckte ihren Blütenstengel, um sich zu entspannen. Während der ganzen Zeit, die sie mit Heem allein gewesen war, hatte sie eine starke Nervosität gezeigt; die Anwesenheit des Squam war ihr eine Erleichterung. Die beiden, Erb und HydrO, hatten gut zusammengearbeitet, doch ohne das Obersetzungsgerät und die persönlichen Versicherungen des Squam hätte der Erb sich nie darauf eingelassen.
»Mache ihr ein Kompliment«, riet Jessica. »Tue etwas, damit sie dich mag. Alle Weiblichen stehen auf Komplimente. Dadurch läßt sich besser mit ihnen auskommen.«
Heem beschloß, den Rat der Expertin über die Natur des Weiblichen zu befolgen. »Windblume ist besonders tüchtig gewesen«, sprühte er. »Sie hat zwei Gitter herausgerissen und das Seil verankert, trotz aller Schwierigkeiten und Mühen.«
Der Erb reagierte nicht. »Sie hat es aber sehr genau registriert«, versicherte Jessica ihm. »Sie weiß, daß du sehr viel von der Arbeit geleistet hast und trotzdem ihr Anerkennung zolltest.«
Sickh schlang wieder das Seil um ihren Körper, und sie zogen weiter. Der Tunnel rührte aufwärts. Näherten sie sich seinem Ende?
»Ich höre etwas«, sagte Sickh. »Es befindet sich eine lebende Präsenz in der Passage.« »Oh-oh«, sagte Jessica.
Heem konzentrierte sich. Ja, der leichte Luftstrom trug einen bedrohlichen Geschmack zu ihm.
»Tier, nicht Pflanze«, sagte er. »Aber man hat mir doch versichert, daß es auf Exzenter keine gefährlichen Tiere gibt.«
»Niemand kann sagen, was in der Tiefe lebt«, bemerkte der Squam. »Kleine Tiere, die sich von Fungus ernähren
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