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Tausendstern

Tausendstern

Titel: Tausendstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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mit einem anderen Gut verbinden. Es würde nicht zum Verlust kommen.
    Das war richtig hübsch ausgedacht, jedoch gab es gewisse praktische Probleme. Der weibliche Zweig wurde geheimgehalten, denn ein zu frühzeitiges Bekanntwerden könnte andere Familien auf den Gedanken bringen, ähnliche geteilte Klons zu schaffen, wodurch der Vorteil in Frage gestellt oder gar beseitigt wurde. Beide Klons wurden als männlich geführt, und beide kleideten und verhielten sich wie Männliche. Im Privatbereich war das anders, und unter Gemeinen konnte Jessica ein Pseudonym annehmen und ganz Weibliche sein. Dies war sogar ratsam, denn sollte sie jemals dem Ruf des Blutes gerecht werden müssen, mußte sie eine vollwertige Frau sein, begehrenswert wie eine und funktionsfähig. Doch im Kreise des geklonten Adels trat sie stets als Männlicher auf.
    Das konnte zeitweise recht schwierig werden, vor allem als Jess heranreifte. Natürlich lebten Jesse und Jessica nach der Unfruchtbarkeitsdiät; nur im Falle einer Heirat wurde das Gegenmittel verabreicht. Doch von ihr wurde erwartet, daß sie innerhalb der Klongesellschaft die Rolle eines Männlichen spielte. Sie mußte anderen Weiblichen mit spöttischer altertümlicher Galanterie begegnen und die bedeckten Partien der Mädchen mit offener Lüsternheit beäugen und ihnen in die Schenkel kneifen, wie ihr Bruder es tat - weil er es tat. Weil ein Versagen im männlichen Verhalten ihre wahre Natur zu früh offenbar werden ließe und damit möglicherweise die Chancen ihres Bruders auf eine angemessene eheliche Verbindung verschlechterte.
    »Du bist also eine Weibliche - und trotzdem hast du dich verhalten wie ein Männlicher?«
    »Ich mußte es! Zuerst war es nur ein Spiel, doch als ich älter wurde, haßte ich es, dennoch mußte ich daran festhalten.« Sie ertappte sich dabei, wie sie an die Skepsis in dieser theoretischen Frage rührte.
    »Dennoch war es nur eine Rolle - Teil in einem Schauspiel ohne weiterreichende Konsequenzen. Wenn sich die Gelegenheit ergäbe, würde man sich als Weibliche mit einem männlichen Partner paaren. Also kein Grund zur Sorge.«
    Machte sie sich selbst etwas vor? Kein Grund zur Sorge! »Paß mal auf, wie es wirklich war!« schnappte sie und öffnete den Zugang zu einer verdrängten Erinnerung an die Zeit, als sie fünfzehn Jahre alt war. Sie und ihre andere Hälfte besuchten einen Klon-Ball, der von Cyrus und Cyron, beide sechzehn Jahre alt, veranstaltet wurde. Er trug natürlich den Namen »Zyklon« und stand unter einem Sturm-Motiv.
    Wie es bei Klons damals Sitte war, reisten Jesse und Jessica gemeinsam in einer von einem Drachen gezogenen geschlossenen Kutsche. Geschlossen, um ihre unterschiedliche Natur vor den neugierigen Blikken der Gemeinen zu verbergen; von einem Drachen gezogen, um ihre adelige Herkunft und ihren Reichtum zu zeigen. Ein moderner Segelwagen wäre weitaus komfortabler, viel schneller und nicht so teuer gewesen, doch Jessica mußte zugeben, daß die gemietete Drachenkutsche mehr Klasse hatte. Das Fahrzeug bestand aus Einweg-Schaumfaser, die nach außen hin isolierte und reflektierte, von innen jedoch durchlässig war, so daß die Insassen hinausschauen konnten, ohne selbst gesehen zu werden.
    Die Landschaft war idyllisch. Dies war ein Teil des Naturreservats, das vor einem Jahrtausend eingerichtet worden war, als die wachsende Bevölkerung des Systems Capella den Planeten zu vernichten drohte. Die großen alten Güter hatten Besitzrechte an dieser Region, und der Adel erhielt die ursprüngliche Wildnis. Niemand jagte dort oder betrieb Bergbau oder gründete Städte - niemand außer den Klon-Gemeinschaften selbst, die dort nur minimalen Schaden anrichteten. Daher waren die Berge unberührt, die Bäume mächtig und die Flüsse rein. Jessica berührte einen bestimmten Bereich der Kutschenwand und durchbohrte sie mit den Fingern, so daß ein frischer Luftstrom hereinwehte und ihr Gesicht streichelte. Die Brise duftete nach jungen Tannen und Capellablüten, und einen Moment lang schloß Jessica die Augen und gab sich ganz dem köstlichen Aroma hin. Es war ein Traum, der niemals enden sollte, von der Federung der Kutsche gewiegt, den Duft der Natur
    Dann fuhren sie um eine Kurve, und beinahe wäre sie dabei ihrem Bruder in die Arme gesunken, was sie verlegen machte. Sie schlug die Augen auf und sah den Kopf des Drachens, der normalerweise von der Masse seines Körpers verdeckt wurde. Sein Atem sprühte hoch und bildete kleine Dampfwolken, die von

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