Tausendundeine Nacht mit dir
Verbeugung verließ Dawud den Saal.
„Bist du sicher, dass du das durchstehst, Belle?“, fragte Rafiq, sobald sie allein waren.
Sie nickte nur. Je eher sie es hinter sich brachte, desto besser. Aber vielleicht war sie wirklich erschöpft, denn langsam begann sich der apathische Zustand, der sie seit Tagen umgab, aufzulösen. Ein dumpfer Schmerz meldete sich an, den sie so lange verdrängt hatte und der nun drohte, ihr das Herz zu zerreißen. Es fiel ihr immer schwerer, ruhig und gelassen zu bleiben, wenn Rafiq ihr so nahe war.
„Nun gut.“
Belle beobachtete, wie er das Schmuckstück aufnahm, sah, wie sich das Licht in den Steinen brach und funkelnde Prismen warf, und schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter. Rafiq stand nun hinter ihr und legte ihr das Geschmeide um. Vorsichtig strich er ihr das Haar aus dem Nacken und ließ den Verschluss einrasten. Das Gewicht der Halskette zog Belle fast nach vorn, sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Plötzlich schien sie nicht länger Belle Winters zu sein.
In dem großen antiken Spiegel auf der gegenüberliegenden Seite des Saals erhaschte sie ihr Spiegelbild. Da war Rafiq, groß und attraktiv. Und sie stand vor ihm, nicht mehr zu erkennen als die hart arbeitende Meeresarchäologin, verwandelt durch dieses außergewöhnliche Collier in eine völlig andere Person. Es war der Zauber dieses Schmuckstücks, der das bewirkte, trotz Armschlinge und Alltagskleidung.
Sie runzelte die Stirn. Nein, da war noch mehr. Sie fühltesich anders. Als trüge das Collier die Tradition von Jahrhunderten in sich. Und als sei sie nun wahrhaft die Braut eines Fürsten.
Verzweifelt versuchte sie, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Ein letztes Mal wünschte sie, es wäre Liebe, die Rafiq und sie zusammenhielt. Dass er sie, wie seine Vorfahren es getan hatten, bezaubert von ihr, von einem Schiff entführt hätte. Doch das alles hier war nur Show.
„Weine nicht, habibti “, bat er sie rau, doch vergeblich. Nur mühsam unterdrückte sie das Schluchzen, das in ihrer Kehle aufstieg. „Belle, meine süße Belle.“ Er kniete jetzt vor ihr und nahm ihre Hände. „Das ist alles zu viel für dich. Wir verschieben es noch, bis es dir besser geht.“
Verärgert wischte sie die verräterischen salzigen Perlen von ihrer Wange. „Nein. Bringen wir es hinter uns. Zeigen wir den Leuten das Märchenbild, das sie so unbedingt sehen wollen.“ Sie machte sich nicht die Mühe, ihre Verbitterung zu verbergen.
Schweigen.
„Du missverstehst“, sagte er schließlich tonlos. „Das Überreichen des Pfauenauges geschieht nicht für die Öffentlichkeit oder um die Neugier des Volkes zu befriedigen. Auch wenn die Tradition es verlangt, dass die Braut sich mit dem Collier zeigt, nachdem es ihr übergeben wurde.“
Mit leerem Blick starrte sie auf seine schlanken Finger. Merkte er überhaupt, wie fest er ihre Hände drückte?
„Belle …“
Sie hob den Kopf und traf auf seinen Blick. Ohne dass sie es aufhalten konnte, verspürte sie das vertraute Prickeln auf ihrer Haut.
„Selbst in jenen Tagen, als es noch den Harem gab, wurde das Pfauenauge der einen Frau gegeben, die das Herz des Scheichs erobert hatte.“ Rafiq senkte die Stimme, sie war jetzt tief und samten. „Seit jener Zeit hat sich einigesverändert. Ich sagte dir schon … die Männer der al Akhtars sind bekannt für viele Dinge. Auch dafür, dass sie nur einer Frau ihr Herz schenken. Das Pfauenauge steht als Symbol für den Wert, den die Braut im Herzen ihres Mannes besitzt.“ Er neigte den Kopf, küsste erst ihre eine, dann die andere Hand. „Belle, Sinn meines Lebens, Mittelpunkt meines Seins“, flüsterte er. „Ich überreiche dir das Pfauenauge, weil ich es keiner anderen geben könnte. Du bist die Meine, Belle, ganz gleich, unter welchen Umständen wir uns zum ersten Mal getroffen haben.“
Es war seine Hand an ihrer Hüfte, die brennende Hitze, die sie prompt durchzuckte, die ihr bewies, dass das hier kein Wunschtraum war, sondern die Wahrheit. Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch die Stimme versagte ihr.
Rafiq rückte näher an sie heran. „Ich liebe dich, Belle. Deshalb gehört das Pfauenauge dir. Du bist meine Frau, meine Geliebte, mein Leben. Fühle, wie mein Herz für dich schlägt, habibti. Du bist alles für mich.“ Er presste ihre Hand auf seine Brust.
Als sie das heftige Pochen unter ihren Fingern spürte, löste sich ihre Seele und stieg auf in die schwindelnden Höhen der Hoffnung.
Weitere Kostenlose Bücher