Tea-Bag
Ich will, daß du sofort damit aufhörst.
- Hast du über den Kriminalroman nachgedacht?
- Nein.
- Tu das. Melde dich, wenn du einen Vorschlag für einen guten Titel hast.
- Ich bin Poet. Ich schreibe keine Kriminalromane.
- Melde dich, wenn du einen Vorschlag für einen guten Titel hast.
Wütend steckte Jesper Humlin das Handy in die Tasche, zog die Jacke enger um sich und begann, ziellos über den Platz zu laufen. Nach wenigen Metern blieb er stehen und sah sich um. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Erst wußte er nicht, was es war. Dann merkte er, daß es die Menschen waren. Geduckt bewegten sie sich im Wind. Es schien, als hätte er, ohne es zu merken, eine unsichtbare Grenze überschritten und befände sich plötzlich in einem anderen Land. Die Menschen, die er auf dem Marktplatz sah, wirkten absolut fremd. Ihre Hautfarbe, ihre Gesichter, die Art, wie sie sich kleideten.
Ihm fiel plötzlich auf, daß er noch nie dieses andere, neue Schweden besucht hatte, das sich allmählich herausbildete, die ghettoartigen Vororte, in denen man all diejenigen zusammenpferchte, die als Einwanderer oder Flüchtlinge nach Schweden gekommen waren. Mit quälender Deutlichkeit wurde ihm bewußt, daß es nur natürlich war, wenn an diesem Abend nur zehn Personen in die Bibliothek kamen. Was hatten seine Gedichte diesen Menschen zu geben?
Er lief auf dem Marktplatz herum, bis er anfing zu frieren. In einem Cafe, wo arabische Musik gespielt wurde, schlug er in einem schmutzigen Telefonbuch Pelle Törnbloms Adresse auf. »Törnbloms Boxklub«. Er fragte das dunkelhäutige Mädchen hinter dem Tresen, ob sie wisse, wo der Boxklub liege.
- Auf der anderen Seite der Kirche. Jesper Humlin hatte keine Kirche gesehen.
- Wo liegt die Kirche?
Das Mädchen zeigte durch das beschlagene Fenster nach draußen und widmete sich dann wieder ihrer Illustrierten.
Jesper Humlin trank seinen Kaffee aus und machte sich auf die Suche nach der Kirche und dem baufälligen Fabrikgebäude, wo ein Schild an einer verrosteten Blechtür verkündete, daß dies der Eingang zu Pelle Törnbloms Boxklub war. Zögernd blieb er stehen. Warum suchte er Pelle auf? Was hatten sie einander eigentlich zu sagen? Er beschloß, in die Bibliothek zurückzukehren. In diesem Moment ging die Tür auf. Als erstes bemerkte Jesper Humlin, daß Pelle Törnblom zugenommen hatte. Früher war er durchtrainiert gewesen. Der Mann, der jetzt aus der Tür trat, hatte einen großen Hängebauch und ein gerötetes Gesicht. Das Hemd spannte unter seiner Lederjacke. Er begrüßte Jesper Humlin wie einen guten alten Bekannten.
- Wir wollen heute abend zu deiner Lesung kommen, sagte er lächelnd.
- Wer ist wir?
- Amanda und ich.
- Amanda?
- Meine Frau. Meine vierte und letzte Frau.
- Dann werden es zwölf. Die Bibliothekarin hat zehn Besucher versprochen.
Pelle Törnblom hielt die Blechtür auf und zog Jesper Humlin ins Haus. Sie stiegen eine schmale Treppe hinauf und kamen in einen Raum, wo es nach altem Schweiß roch. In der Mitte befand sich ein Boxring. An den Wänden standen verschiedene Geräte für das Krafttraining. Um sich blickend suchte Jesper Humlin nach etwas, das Olof Lundins Rudergerät glich.
- Donnerstags habe ich geschlossen. Sonst ist es hier voll.
Pelle Törnblom lotste ihn in ein kleines Büro. Sie setzten sich. Pelle Törnblom betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen.
- Wieso bist du so braun?
- Ich war auf Reisen.
- Es sieht nicht natürlich aus.
- Wie meinst du das?
- Es sieht zu gepflegt aus. Als würdest du deine Zeit in einem Solarium verbringen.
Jesper Humlin war sich jetzt ganz sicher, daß es ein Fehler gewesen war, Pelle Törnblom aufzusuchen.
- Ich war auf Reisen. An Orten, wo die Sonne scheint. Da wird man braun.
Pelle Törnblom zuckte die Achseln.
- Du hast zugenommen, sagte Jesper Humlin und ging zum Gegenangriff über.
- Ich habe zum vierten und letzten Mal geheiratet. Ich muß mir keine Gedanken mehr darüber machen, wie ich aussehe.
- Du bist zu dick.
- Nur im Winter. Im Sommerhalbjahr nehme ich ab.
- Wer ist Amanda?
- Sie kommt aus der Türkei. Obwohl sie eigentlich aus dem Iran stammt. Aber ihr Vater ist in Pakistan geboren. Er lebt jetzt allerdings in Kanada.
- Sie ist also eine Einwanderin?
- Sie ist in Schweden geboren. Falls das irgendeine Bedeutung haben sollte.
- Auf dem Marktplatz habe ich gesehen, daß viele von den Leuten hier in Stensgården Einwanderer sind.
- Im großen und ganzen sind nur ich und
Weitere Kostenlose Bücher